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halter auf Erden ist. Also ist die Macht des päpstlichen Stuhles weit größer
s die Macht der Throne, und der König ist dem Papste unterthan und ihm
Gehorsam schuldig. Um nun des Papstes Herrschaft recht fest zu gründen
erließ Gregor mehrere wichtige Gesetze. Alle kirchlichen Würden sollten allein
durch den Papst vergeben werden, kein Fürst mehr das Recht haben, geistliche
Stellen zu besetzen. Und damit die Geistlichen nicht durch die Sorge für
Weib und Kind an ihre Fürsten gebunden, sondern, ganz unabhängig von der
weltlichen Gewalt, einzig dem Papste ergeben seien, verbot Gregor aufs strengste
daß die Geistlichen in die Ehe träten. Jedem, der sich diesen Anordnungen
widersetzen würde, drohte er mit dem Banne (Ausschluß von der Kirchen⸗
gemeinschaft).
2. Heinrich IV. dachte nicht daran, sich des Papstes Oberherrschaft ge⸗
fallen zu lassen und seine Befehle auszuführen. Die deutschen Kaiser hatten
stets als die höchsten Herrscher in der Christenheit gegolten; auch er wollte
sich keinem andern unterordnen. Da versuchte Gregor, ihn zum Gehorsam zu
zwingen. Als die Sachsen Klage über des Kaisers Härte erhoben, schrieb
ihm der Papst: „Künftige Fasten stellst du dich vor mir hier in Rom, um
dich wegen der Verbrechen, die dir zur Last gelegt werden, zu verantworten/
erscheinst du nicht, so strafe ich dich mit dem Banne.“ Diese Anmaßung
erfüllte Heinrich mit Ingrimm. Er antwortete dem Papste: Falscher Monch
du hast dich erfrecht, die mir von Gott verliehene königliche Würde anzuta sten
und es heißt doch in dem göttlichen Worte: Fürchtet Gott, ehret den König!
Darum sage ich dir: steige herab von deinem angemaßten Throne. Ein Wür⸗
digerer soll dir folgen.“ Darauf sprach Gregor den Bann über Heinrich aus
ensseßte ihn des Thrones und entband alle seine Unterthanen vom Eide der
Treue. Dieser Spruch des Papstes that eine gewaltige Wirkung. Allent⸗
halben im Reich erhoben Zwietracht und Empörung ihr Haupt. Die deutschen
Fürsten wollten dem Kaiser nicht mehr gehorchen und drohten, einen neuen
Kaiser zu wählen, wenn Heinrich nicht binnen kurzer Zeit des Banne⸗
ledig sei.
3. Was sollte Heinrich in dieser bedrängten Lage machen? Er beschloß
sich vor dem Papste zu beugen, um von ihm Lossprechung zu erlangen. Mien
im härtesten Winter wanderte er, nur von seiner treuen Gattin und einigen
Dienern degleuet über die Apen nach Italien. Es war eine höchst mühselig
Reise. Auf dem steilen, mit tiefem Schnee und weiten Eisfeldern bedeckten
Gebirge drohte jeder Schritt Lebensgefahr. Bald kroch man auf Händen und
Füßen, bald glitt man auf dem Rücken einen schlüpfrigen Abhang hinuntel
die Kaiserin mußte in eine Ochsenhaut gewickelt und an Seilen hinabgelasse
werden. So erreichte man endlich Italien. Der Papst befand sich gera
auf dem Schlosse Canossa. Dorthin begab sich der Kaiser; allein der streng
Gregor wollte ihn anfangs gar nicht vor sich lassen. Endlich, auf viel
Bitten, erlaubte er, daß Heinrich im Büßergewande den äußern
betrete. Der Haiser kam, barfuß, entblößten Hauptes, nur mit einem wollene
Hemde angethan. So ließ ihn der Papst drei Tage vom frühen Morgen
zum Abend bei scharfem Winterfroste (im Januar 1077) auf dem Burgho
ftehen, ohne sein Flehen anzuhören. Alle im Schlosse rührte der Anblick
Thränen; nie hatte ein Kaiser solche Demütigung erduldet. Endlich, 4
vierten Tage, sprach ihn der Papst unter harten Bedingungen vom Banne u
4. Heinrich kehrte nun nach Deutschland zurück; allein was fand e
dort? Die Fürsten waren ihm untreu geworden und hatten den Herzoh