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Aus der Geschichte des Mittelalters.
In dieser starren Geschlossenheit ihrer Gedankenwelt macht sie sowohl
eine Weiterentwicklung von innen heraus als auch jede An-
Näherung an außenstehende Gedankenkreise unmöglich.
Wo der Islam siegreich wird, da verschwindet römische Herrschast, antike
Sprache und Kultur, und die Bekenner des Christentums werden höchstens
geduldet. Er tritt als religiöse Weltmacht neben die christliche Kirche, als
politische neben den Kaiser, das Arabische als Weltsprache neben das
Lateinische und neben, ja später an die Stelle des Griechischen.
(Über die Kunst des Islams vgl. den kunstgeschichtlichen Anhang.)
Als die Araber um 700 Europa betraten, waren hier noch alle
Verhältnisse im Fluß. Zwar die germanischen Stämme hatten in
West- und Mitteleuropa feste Wohnsitze gefunden, aber die Slawen im
Osten wanderten noch. Die auf dem Boden des ehemaligen Weströmischen
Reiches angesiedelten Germanen waren Christen, östlich vom Rhein
lebten Germanen und Slawen im Heidentum. Daß in Europa
einmal die christliche Religion siegreich sein würde, war noch nicht
entschieden. Für den Westen und die Mitte des Erdteils ist ihre Herrschaft
erst durch den Sieg Karl Martells im Jahre 732 gesichert worden;
die gleiche Bedeutung haben für den Osten Europas die tapferen Ver-
teibigungen von Konstantinopel (668 bis 675 und 715 bis 718 durch
Leo den Jsaurier). Nur dadurch, daß das Byzantinische Reich jahrhunderte¬
lang den Arabern wie ein festes Bollwerk entgegenstand, wurde die
Christianisierung von Osteuropa möglich.
§ 27. Mohammed. Die Heimat Mohammeds ist Arabien. Die
Halbinsel hat in der alten Geschichte nie eine Rolle gespielt; die wich¬
tigsten Handelsstraßen, die von Ägypten nach Mesopotamien, von der
phönizischen Küste zum Persischen Golfe führen, berührten sie nicht; die ein-
schließenden Meere sahen nur von Zeit zu Zeit einen regelmäßigen Schiff¬
fahrtverkehr; und einer Eroberung endlich setzt die Wüste unüberwind¬
liche Schwierigkeiten entgegen. Nur an den Küstenrändern sind hier und
da die Bedingungen für eine dichtere Besiedlung durch Menschen gegeben.
Die Bewohner der Halbinsel gehören dem arabisch-äthiopischen
Zweige der Semiten an, hagere, sehnige Menschen von ebenmäßigem
Wuchs, tapfer, genügsam, fähig große Strapazen zu ertragen, gastfrei,
dem gegebenen Worte treu, aber habsüchtig und grausam. Sie sind ver-
standesmäßig begabt und stark phantastisch veranlagt, lieben in Kunst
und Poesie reiche, verschlungene Formen und sind Freunde von Sprüchen,
Erzählungen und Märchen. Da die Nacht die gewöhnliche Zeit der Reise
ist, so sind die Sterne, ihre unwandelbaren Führer in der pfadlosen Wüste,
Gegenstand religiöser Verehrung.
Seit Jahrtausenden in kleine Stämme zersplittert, die unter ihrem
Scheich an einem Brunnen in der Oase wohnen, leben sie in uralten
Feindschaften miteinander, nur gegen Fremde einig.