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Völkerschaften vermöge ihrer geographischen Lage berufen
waren.
Die Bewohner des alten Italiens. Die geographische Lage
ist es nicht allein, die den Grad historischer Bedeutung be¬
dingt. Charakter und Eigentümlichkeiten der Völkerschaften
spielen als zweiter ebenso starker Faktor mit.
In dem alterr Italien finden wir die verschiedensten
Völkerschaften vor: Italiker, Etrusker, Japyger, Celten,
Griechen, Ligurer, Veneter und lstrer-, über die drei letzteren,
die auch von weniger Bedeutung für die römische Geschichte
sind, steht ethnographisch nichts fest.
Die Italiker. Den wichtigsten Völkerstamm bildeten die
Italiker, welche die Mitte und den Süden der Halbinsel
gröfstenteils inne hatten und die eigentlichen Träger der
Geschichte Italiens wurden. Sie gehörten zum indogerma¬
nischen Sprachstamme und waren mit den Griechen, mit
denen sie wahrscheinlich zusammen den gemeinschaftlichen
Stock verliefsen, um sich erst nach längerem Zusammen¬
leben zu trennen, nahe verwandt und ähnlich in Körperbau,
Sprache, Religion, Sitten und Gebräuchen.
Die Italiker müssen ursprünglich eine und dieselbe
Sprache geredet und eine einzige Nation gebildet haben;
die Sprache ging aber in viele Dialekte, die Nation in eine
ganze Reihe von Völkerschaften auseinander. Bevor die
Latiner die übrigen Völkerschaften unterwarfen und der
latinische Dialekt die übrigen Dialekte verschlang, belebte
ein buntes Gemisch von Völkerschaften und Dialekten den
von den Italikern bewohnten Teil der Halbinsel.
An dem italischen Stamme unterscheidet man zwei
Zweige, den latinischen und den umbrisch-sabellischen.
Die Latiner bewohnten Latium, sprachen den latinischen
Dialekt, das Latein, und wurden die Herren der Halbinsel.
Zu den umbrisch-sabellischen Völkerschaften gehörten die
Umbrer, die Volsker, Rutuler, Sabiner u. a.
Von den Sabinern, die ihren ursprünglichen Sitz um
Amiternum hatten, ging eine Reihe von Völkerschaften aus,
die man unter dem Namen der Sabeller zusammenzufassen
pflegt. Sie waren ein tapferes Bergvolk, das die Sitte hatte,
einen heiligen Lenz, das ver sacrum, auszusenden. Sie pflegten
nämlich in grolser Not das Gelübde zu thun, alles, was im