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I.
Mathematische Geographie.
§. i.
Größe und Gestalt der Erde,
^^ie ersten Fragen, welche die Mathematik bei dem Anblicke und der
Untersuchung eines Körpers thut, sind gemeiniglich die: Wie groß ist
er? und welche Figur hat er? — Heutiges Tages weiß -jeder
nur mäßig Unterrichtete, daß die Erde eine Kugelgestalt habe, und
eine sehr große Kugel von 5400 d e u tschen Mei len im Umfange sey.
Kugelform ist die Elementar- und zugleich die Schlußform in
der ganzen leblosen Natur, die einfachste und zugleich auch die regel¬
mäßigste Form. Daß die Erde diese Form hat, beweisen:
1) die immer kreisförmige und scharf abgeschnittene Gestalt des
Horizonts;
2) der immer runde Schatten der Erde bei Mondfinsternissen *);
3) die Beobachtungen auf weiten Seereisen und die Umschiffungen
der Erde;
4) die verhaltnißmaßig geringe Entfernung, in der große Gegenstände
auf der Erde dem Auge entschwinden;
5) alle Beobachtungen am gestirnten Himmel;
6) der verhaltnißmaßig kurze Weg, den man auf der Erde zu ma¬
chen nöthig hat, um einen Stern in seinen Scheitelpunkt zu
bekommen.
So erstaunungswürdig auch der Anblick der 20,000 F. hohen Berge auf
der Erde für uns ist, so andern sie doch in der Kugelgestalt der Erde nichts ;
den ein so hoher Berg verhalt sich zu derselben doch nur wie ein
Sandkorn, \ Linie stark, zu einer Kugel von 6^ Zoll im Durchmesser.
Die Erde ist aber nicht vollkommen geometrisch rund, sondern ist ein
Spharoid, das ist wieder die allereinfachste Abweichung von
der Kugel form, die sich überhaupt in der Natur viel häufiger findet,
als die vollkommene Kugelform.
Früherhin (schon zu des Griechen Perikles Zeiten, 444 v. Ehr.)
bis vor, und noch eine Zeit lang nach der Entdeckung von America,
*) Auch eine Scheibe kann einen runden Schatten werfen; aber nrcht in
jeder Stellung.