Zur Einleitung.
1. Inhalt mul Charakter der Geschichte des
Mittel alters.
Das Mittelalter mnfafst die tausend Jahre zwischen
dem Untergang des abendländischen römischen Reichs und
der mit der Entdeckung der neuen Welt und der Kirchen¬
reformation anhebenden Neuzeit. Neue Schauplätze öffnen
sich der Kultur und dem Fortschritt. Der Zug der Welt¬
geschichte geht nach Norden und Westen. Ganz Europa
wird allmählich in den Kreis des geschichtlichen Lebens
hereingezogen.
Die Wahrheit des Christentums und das Schwert der
Oermanen zersetzen und überwinden das römische Weltreich
und das in demselben herrschende Heidentum. Daher sind die
Germanen das Hauptvolk des Mittelalters, die germanische
Lehensmonarchie mit dem deutsch-römischen Kaisertum auf
der einen, die christliche Kirche mit der Hierarchie auf der
ändern Seite die Hauptschöpfungen und eigentümlichsten
Lebensformen dieser Periode. Beide Mächte, die germa¬
nisch-romanische Heeresmacht und die christliche Kirche,
messen sich zuerst defensiv, dann (in den Kreuzzügen) an¬
griffsweise mit dem Islam, der den Orient zu dem Anspruch
auf Weltherrschaft erhebt und fortreifst. Am Ende des
Mittelalters unterwirft der Islam den Osten Europas, während
er im Westen unterliegt.
Die Lehensmonarchie geht unter durch das Wachstum
der absoluten Fürstengewalt, durch die zunehmende Bedeu¬
tung der Städte, durch die Umgestaltung des Kriegswesens.
Während aber die Hauptländer des Weltteils in dieser Um¬
wandlung sich innerlich kräftigen, wird die Einheit und
Macht des deutschen Reiches durch die übergreifende Landes¬
hoheit wie durch die Angriffe der kirchlichen Gewalt ge¬
brochen. Mit der Macht des Kaisers sinkt aber auch die
Herbst, histor. Hilfsbuch. II. 9- Aufl. 1