Full text: Griechische und römische Geschichte (Teil 1)

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den Bestand eines neu begründeten Staatswesens für die Zukunft zu 
sichern, die Sieger wie die Besiegten. Lange Zeiten vergingen, ehe dies 
erreicht wurde; inzwischen schwand der gegenseitige Haß, und das Be¬ 
wußtsein, daß man einer und derselben Nation angehöre und den Bar¬ 
baren gegenüber gemeinsame Pflichten habe, erstarkte in den einzelnen 
Gliedern des Griechenvolkes wieder. Die gemeinsame Religion und die 
gemeinsame Sprache bildeten das geistige oder ideale Band, welches alle 
Griechen miteinander verknüpfte, und dies bewies sich auch nach den 
Zeiten der allgemeinen Zerrüttung stark genug, um die unter sich ver¬ 
feindeten Stämme wieder friedlich einander zu nähern. Nach der Wieder¬ 
kehr geordneter Zustände traten die alten Einrichtungen wieder ins Leben, 
die schon in den frühesten Zeiten der Götterkultus geschaffen hatte, und 
die dazu dienten, um zwischen den mächtigeren und minder mächtigen Ge¬ 
meinden desselben Bezirkes oder auch verschiedener Stämme den friedlichen 
Verkehr zu fördern, die Opfergemeinschaften oder Amphiktyonieen. 
Bünde oder Vereine waren dies, unter den Nachbarn geschlossen zu ge¬ 
meinsamer Begehung eines Opsersestes; der Schutz des Heiligtums, wo 
dieses zu bestimmten Zeiten stattfand, war die Hauptverpflichtung der 
Teilnehmer. Ost waren mit den Opferfesten Wettspiele verbunden, 
bei einigen wurden sie zur Hauptsache. Allmählich gewann dann auch 
diese Einrichtung, deren Anfänge die Sage ebenfalls in die Heldenzeit 
zurückverlegte, für die Einigung der Nation erhöhte Bedeutung. So 
wurden die Kultusstätten ihrer Götter die Sammelpunkte für einzelne 
Teile, einige auch für die Gesamtheit der Hellenen. Will man aber die 
Orte bezeichnen, die vor allen andern so hohes Ansehen erlangten, daß 
sie allen Griechen als nationale Heiligtümer galten, so waren dies Delphi 
und Olympia, und zwar Delphi aus dreifachem Grunde, einmal als 
Mittelpunkt der umfassendsten Amphiktyonie, ferner als Sitz des Orakels 
und drittens als Schauplatz eines der großen Volksfeste, und Olympia, 
weil hier im Tempelbezirke des Zeus das angesehenste unter den natio¬ 
nalen Wettspielen stattfand. 
Ein starkes Einigungsband ist aber für die Griechen trotz der Fülle 
und Verschiedenheit der Mundarten die gemeinsame Sprache gewesen, 
war sie doch neben der Religion für jeden einzelnen das Beweismittel 
dafür, daß er der hellenischen Nation angehöre; darum haben auch die 
Griechen in den Dichtungen Homers, die von ihren Göttern und 
Helden in ihrer Sprache sangen, das herrlichste Nationalgut zu besitzen 
geglaubt. 
Die delphische Amphiklyonie. Nur eine der Amphikchonieen, derai
	        
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