Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

England unter den Tudors. 
81 
Zustände und eine starke Königsmacht. Da sein ältester Sohn 
Arthur noch vor ihm starb, so folgte ihm 1509 sein zweiter Sohn. 
Heinrich \ III. (Io09—1547). Der neue König liess sich in seinen 
Handlungen meist nur von seiner augenblicklichen Laune und 
seiner Willkür leiten; dabei zeigte er eine rücksichtslose Grau¬ 
samkeit gegen alle, die sich nicht willenlos fügten oder gar 
sich zu widersetzen wagten. 
Lediglich eine Laune des Königs war die Ursache der 
Trennung der englischen Kirche Aron der römisch- 
katholischen. Heinrich hatte nach dem Tode seines älteren 
Bruders dessen Witwe. Katharina von Aragon, eine Schwester 
von Karls V. Mutter, geheiratet. Nach fast zwanzigjähriger 
Ehe fasste er aber Neigung zu einem Hoffräulein seiner Ge¬ 
mahlin, der Anna Boleyn*); er verlangte deshalb die Einwilli¬ 
gung des Papstes zur Ehescheidung, um sich mit Anna ver¬ 
mählen zu können. Da der römische Stuhl diese aus triftigen 
7™den verweigerte, so vollzog Heinrich VIII. die Trennung 
15d3 aus eigener Machtvollkommenheit und liess durch Thomas 
Cranmer, den er zum Erzbischof von Canterbury und damit 
zum Primas der englischen Kirche erhob, eine Woche später 
Anna zur Königin von England krönen, nachdem er schon 
längere Zeit vorher sich heimlich mit ihr hatte trauen lassen. 
Zugleich erliess er, der beim Auftreten Luthers eine Streitschrift 
füi das Papsttum veröffentlicht hatte und dafür vom Papst mit 
dem Titel eines „Defensor fidei“ ausgezeichnet worden war, 
mit Zustimmung des Parlaments das Gesetz, „dass der König 
aut Erden für das alleinige Oberhaupt der Kirche Englands 
angenommen und gehalten werde“ (= Suprematsakte), und 
löste damit sich und sein Volk vom Papsttum. Wie wenig er 
hiermit ein höheres Ziel verfolgte, sondern vielmehr lediglich 
semer Willkür diente, beweist die Thatsache, dass er in der 
\ erfassung und dem Lehrgebäude der Kirche nichts Wesent¬ 
liches änderte, sondern sich mit der Abschaffung des päpst¬ 
lichen Primats und Einziehung der reichen Klostergüter 
begnügte. Alle Andersdenkenden, sowohl die, welche dem 
alten Glauben treu blieben, wie die Freunde der allmählich vom 
-c estlande herüberdringenden lutherischen Lehre wurden aufs 
grausamste verfolgt. So musste gleich in den ersten Jahren 
dei edle und gelehrte Thomas Morus, der frühere Kanzler 
des Reiches, das Blutgerüst besteigen2). 
]) Sprich: bohlin. 
r, ) Sein berühmtestes Werk, dessen Aufschrift zur Bezeichnung der 
h?mnr?5-W? da'lBuch »Utopia“ (= Nirgendheim); darin schildert der 
Sül ft«0 Philosoph ein menschliches Gemeinwesen, das „Traumland der 
v einuntt , m dem „die blossen Bestrebungen natürlicher menschlicher Tugend 
Ziele von Sicherheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit erreicht haben“. 
Martens, Lehrbuch der Geschichte. III. ß
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.