1 Poesie. — Die poetische Erzählung.
7. „Und nun, hochmögende Genossen- Wer bringt in unsres Sinnes düstre Nacht
schaft! Das lang erwartete, begehrte Licht?
Weiß einer Rath? Wer ist es, der zur 15. Zur That! Ihr habt erwogen
Stunde und bedacht.
Die Ernte trocken in die Scheune Ich wende mich zuerst an diesen Alten
fährt?“ Des Scharfsinn einmal schon uns Trost
8. Es herrschte tiefes Schweigen in gebracht:
der Runde, 16. Ehrwürd'ger Greis, laß deine
Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'ger Weisheil walten.“
Greise Der stand und sprach: „Ich bin ein
Und sprach gewichtig mit beredtem alter Mann,
Munde: Ich will euch meinen Rath nicht vor⸗
9. „Der Fall ist ernst; mit nichten enthalten.
wär' es weise, 17. Wir sehn es vierzehn Tage noch
Mit übereiltem Rathschluß einzugreifen; mit an,
Wir handeln nicht unuberlegter Weise. Und hat der Regen dann nicht aufgehört
10. Drum ist mein Antrag, ohne weit Gut! regn' es denn, so lang' es will
zu schweifen: und kann.“
Laßt uns auf nächsten Samstag uns 18. Er schwieg; es schwiegen, die
vertagen; das Wort gehört,
Die Zeit bringt Rath, sie wird die Noch eine Weile staunend, dann erscholl
Sache reifen.“ Des Beifalls Jubel-Nachklang ungeslört.
11. Beschlossen ward, worauf er an⸗ 19. Einstimmig, heißt es in dem
getragen. Protokoll,
Die Frist verstrich bei ew'gen Regen— Einstimmig ward der Rathschluß an⸗
schauern, genommen,
Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen. Der nun Gesetzeskraft behalten soll.
12. Der Samstag kam und sah 20. So schloß ein Szekler Landtag
dieselben Mauern der zum Frommen
Umfassen noch des Landes Rath und Hort, Des Landes Weiseres vielleicht gerathen
Und sah den leid'gen Regen ewig dauern. Als mancher, dessen Preis auf uns ge⸗
13. Der Landesmarschall sprach ein kommen.
ernstes Wort: 21. So wie die Väter stolz auf ihre
„Hochmögende! nun thut nach eurer Thaten
Pflicht! Nach bräuchlichen Gelagen heimgekehrt
Ihr seht, der Regen regnet ewig fort. Erschien die Sonne, trockneten die Saaten,
14. Wer ist es, der das Wort der 22. Und schwankten heim die Wagen
Weisheit spricht? goldbeschwert.
253. A. v. Chamisso: Die Löwenbraut.
1. Mit der Myrte geschmückt und Schaut fromm und verständig zur Herrin
dem Brautgeschmeid, empor,
Des Wärters Tochter, die rosige Maid, Die Jungfrau, zart und wonnereich,
Tritt ein in den Zwinger des Löwen; Liebstreichelt ihn sanft und weinet zugleich⸗
er liegt 3. „Wir waren in Tagen, die nicht
Der Herrin zu Füßen, vor der er sich mehr sind,
schmiegt. Gar treue Gespielen, wie Kind und Kind,
2. Der Gewaltige, wild und unbändig Und hatten uns lieb und hatten uns
gern;
Die Tage der Kindhen, sie liegen uns fern.
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