Erster Abschnitt. 
Zeit der Vorbereitung. 
Kapitel I. 
Die Germanen und ihre Beziehungen zur 
römischen Welt in den ersten Jahrhunderten 
n. Chr. 
§ 2. Das Volk der Germanen. 
Wohnsitze, Gruppen und Stämme der Germanen. Die 
Germanen1), ein Zweig der indogermanischen Völkerfamilie, 
sassen spätestens seit dem IV. Jahrhundert y. Chr. in dem Tief¬ 
land zwischen Weichsel und Rhein (früher Weichsel und Elbe), 
im Osten von den Slaven, im Süden und Westen von den Kelten 
eingeschlossen. Sie zerfielen sprachlich in zwei geographisch 
nicht genau gegen einander abzugrenzende Gruppen, die W e s t- 
und die Ostgermanen; von den Ostgermanen hatten sich 
schon früh die Nordgermanen als besondere Gruppe abgelöst, 
die Südskandinavien und die dänischen Inseln, später auch die 
jütische Halbinsel besetzte; den Nordgermanen gegenüber werden 
die übrigen Ostgermanen und die Westgermanen (diese in der 
Hauptsache die Vorfahren der heutigen Deutschen) auch zu¬ 
sammengefasst als Südgermanen. 
Eine einigermassen sichere Kunde von den gesellschaftlichen 
und staatlichen Zuständen des Volkes haben wir erst aus der 
Zeit der ununterbrochenen Berührung zwischen Germanen und 
Römern. Zu der Zeit, wo die Germanen in die Geschichte ein¬ 
traten, zerfielen sie in eine grosse Anzahl von Stämmen, diese 
wieder in kleinere Völkerschaften, die in ihrer Gesamtheit 
durch keinerlei Band gemeinsamer Einrichtungen oder Bezie- 
x) Bedeutung und Herkunft des Namens „Germanen“ festzustellen ist 
bis jetzt nicht gelungen: der verbreitetsten Ansicht, dass er ein keltisches 
Wort sei, mit dem die Kelten die ihnen zunächst wohnenden Germanen als 
„Nachbarn“ oder als die „Rufer im Streit“ bezeichnet hätten, steht neuerdings 
die andere gegenüber, dass der Name germanisch sei und ursprünglich einige 
westgermanische Stämme als Abkömmlinge eines göttlichen Eponymos Garm 
{= der Feurige) bezeichnet habe. Jedenfalls scheint der Name erst im Lauf 
■der Zeit von einer nordwestlichen Gruppe auf die dieser verwandten Stämme 
tind so schliesslich auf das Gesamtvolk übertragen worden zu sein.
	        
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