142 II. Abschnitt. Die Landschaften und Staaten Mitteldeutschlands.
Breite Ebene fehlt den Ufern des Rheins der landschaftliche Schmuck, wie
wir ihn in der engen Felsengasse gefunden haben. Es fehlen die reben-
bekränzten Hügel und Abhänge; es fehlen die steilen Felsvorsprünge, auf
denen stolze Burgen thronen; es fehlen auch die zahlreichen kleinen Ort-
fchaften, die sich in der Felsengasse in langer Reihe längs der beiden Ufer
hinziehen und sich nicht selten terrassenförmig an die Bergabhänge an-
schmiegen. Dafür aber treffen wir in der Ebene an den Ufern des Rheins
weit größere Städte an als in der Felsengasse. Die größte derselben ist
die Stadt Köln (372 000) mit ihrem herrlichen Dom, dessen Türme dreimal so
hoch sind als der Turm unserer Bartholomäikirche. Köln bildet mit der ihm
gegenüberliegenden Stadt Deutz eine starke Festung. Unterhalb Köln treffen
wir aus dem rechten Rheinufer Mühlheim, eine gewerbreiche Mittelstadt,
welche ihren Aufschwung den vertriebenen Kölner Protestanten verdankt, die
vor Ausbruch des 30jährigeu Krieges in ihren Mauern Zuflucht faudeu.
Dort, wo der Rhein nach Aufnahme der Erst eine scharse Biegung macht,
liegt die Großstadt Düsseldorf, die mehr als 200 000 Eiuwohner zählt.
Düsseldorf ist bekannt durch seine Malerakademie und durch seine großen
Garn-, Tabak- und Senffabriken. In dem Winkel zwischen Ruhr und Rhein
breitet sich die große Fabrikstadt Duisburg aus, die uahezu dreimal so
viel Einwohner zählt als unser Altenburg und zahlreiche Eisenhütten, Web-
waren-, Tabak-, Farben- und chemische Fabriken aufweist. Auf der rechten
Seite der Ruhrmündung ist die Stadt Ruhrort gelegen. Diese weist den
bedeutendsten Rheinhafen auf. Dieser ist so groß, daß in demselben 1000
Schiffe Unterkunft finden können. Weiter abwärts an der Mündung der
Lippe liegt die Festung Wesel und endlich ist noch Emmerich zu erwähnen,
das durch seine Tabak- und Zigarrenfabriken, sowie durch seiuen Käse be-
kannt ist. Aber nicht bloß an den Rheinnsern sind sv große gewerbreiche
Städte zu finden; auch die Ebene rechts und links des Rheines weist solche
auf. Auf der linken Seite liegt München-Gladbach, das gegen 60 000 Ein-
wohner zählt und den Mittelpunkt der rheinischen Baumwollenindustrie bildet.
Nördlich davon liegt die Großstadt Krefeld (107000), wo in zahlreichen Fabriken
feine Seiden-, Samt- und Plüschstoffe gefertigt werden. Aber die Rhein-
ebene ist nicht bloß reich an großen Fabrikstädten; über dieselbe sind auch
zahlreiche kleine Landstädte und Dörfer zerstreut, in denen sich die Be-
wohner mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigen. Wie die oberrheinische
Tiefebene, so ist auch die Ebene am Niederrhein überall wohl angebaut,
und die weite Landschaft ist einem großen Garten vergleichbar. Wogende Getreide-
felder, deren goldene Ähren im Glänze der Sonne strahlen, erstrecken sich
stundenlang in der Ebene dahin. Weite Flächen sind mit der weißen und
schwarzen Senfpflanze bedeckt, deren goldgelbe Blüten weithin leuchten, da-
zwischen finden sich ausgedehnte Tabakpflanzungen, mit denen wieder Zucker-
rübeufelder und allerlei Gemüsepslanzungen abwechseln. Unterbrochen werden
die Ackerfluren durch ausgedehnte Obsthaine, die auch die Abhänge der
Hügel die hie und da aus der Rheinebene aufsteigen, bedecken. *)
x) Die Schilderung ist auf Grund der Karte und vorhandener Bilder, sowie
mit Hilfe der bereits früher erworbenen Vorstellungen aus der Heimat- und Vater-
landskunde zu gewinnen.