Object: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

X. Wasser, Wald und Wiese. 
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ihn kann deshalb kein Tau erfrischen. Der Wald, mit einer bedeutenden 
Verdunstungsoberfläche versehen, gibt feinem Boden, gibt dem benach¬ 
barten Lande eine große Menge des erquickenden Taues; der Boden 
des dichten Hochwaldes, am Tage durch die Sonnenstrahlen weniger 
erwärmt, wird in der Nacht auch weniger durch Ausstrahlung erkältet. 
Die von Feuchtigkeit erfüllten Luftschichten über dem Walde senken sich 
am stillen, kühlen Abend als Nebel in das Tal; der Tau perlt am 
Morgen auf den Wiesen, er erquickt den Acker. Wie in den Küsten¬ 
gegenden die Meeresdünste, so sorgen die Waldesdünste im Binnen¬ 
lande für die Bewässerung des Bodens und durch dieselbe für dessen 
Fruchtbarkeit. 
Die Mehrzahl der Flüsse entspringt auf bewaldeten Gebirgen; 
der Wald erhält einer Gegend ihren Wassergehalt; er sorgt für die 
Flüsse, er ernährt ihre Quellen; in der Wüste versiegen dieselben. 
Die ungeheuren, wasserreichen Ströme Nordamerikas durchziehen den 
Urwald; ob sie so wasserreich bleiben werden, wenn ihre Wälder ver¬ 
schwunden sind? Die Winde fahren her und hin; fällt auch auf 
dürren Sand ein warmer Regen, was hilft er diesem Sande? Be¬ 
gierig eingesogen, wird sein Wasser ebenso schnell wieder abgegeben; 
keine Pflanzen sind vorhanden, die das Wasser an sich fesseln könnten; 
nur wenige Pflanzenarten rönnen überhaupt auf dürrem Sande 
gedeihen, weil nur wenige imstande sind, das Wasser lange festzuhalten. 
Die Kakteen oder Fackeldisteln und die blattlosen Euphorbien oder 
Wolfsmilchgewächse sind fast die einzigen Bewohner tropischer Wüsten; 
unser Sandgras wächst auf Flugsand dürrer Heiden und wird schon 
hier, indem es durch seine Wurzelausbreitung den lockeren Sand 
befestigt, nützlich. Das Sandgras zeigt uns die Möglichkeit, auch 
Wüsteneien ganz allmählich mit einer neuen Pflanzendecke zu bekleiden. 
Wenn sich im Winter Schnee und Eis auf dem Gebirge häuft, 
um vor der Sonne des Frühlings zu schmelzen, so schwellen die Ströme 
plötzlich an; ein Bergstrom kommt zu anderen; die Wassermasse stürzt 
mit Macht ins Tal hinab. Bedeckt ein Wald des Gebirges Grund, 
fließen die Ströme durch fruchtbares Land, so wird ein großer Teil des 
schmelzenden Schnees, der auf den Bäumen oder unter ihnen liegt, von 
der'lockeren Dammerde des Bodens aufgesogen und zurückgehalten, 
während er da, wo ihn der Boden nicht aufnimmt, die Wassermenge 
der Flüsse vermehrt. Seitdem die Wälder verschwanden oder über 
alle Gebühr gelichtet wurden, sind die Ü b e r s ch w e m m u n g e n der 
Flüsse im Frühjahre furchtbarer als je hervorgetreten. 
Ein Bergrücken, eine Mauer, ein Wald schützen vor dem Winde. 
Der Windschutz des Hochwaldes ist in mancher Gegend nicht ohne 
wohltätigen Einfluß; von ihm beschirmt, gedeiht der junge Wald, ge¬ 
deiht das Ackerland; er verhütet die weitere Ausbreitung des Flug¬ 
sandes; er hemmt die nachteilige Einwirkung austrocknender Winde; er 
gewährt endlich Schatten und Kühlung. Der wohltätige Einfluß des 
Waldes auf die Luftbeschaffenheit einer Gegend läßt sich nicht mehr 
in Zweifel ziehen. Der Gesundheitszustand der Menschen und Tiere, 
das Gedeihen der Pflanzen ist von der Luftbeschaffenheit einer Gegend 
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