Full text: Lehrbuch der Geschichte für die Ober-Secunda höherer Lehranstalten

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das ganze nördliche iranische Hochland; um die Jahreswende (330/29) 
überschritt er die Pässe des Hindukusch, stieg zum turanischen Tieflande nach Bäk- 
trien hinab und erwirkte die Auslieferung des Bessos; er überschritt darauf 
den Oxos (den heut. Sir), die baktrische Grenze, und rückte über Marakanda 
(wohl Samarkand) bis zum Jaxartes (dem heut. Amu) vor, seinem äußersten 
Ziel im Norden. In diesen nördlichen Gegenden verblieb er bis zum Jahr 327. 
Die schnellen Siege steigerten das Selbstbewußtsein Alexanders; sklavisch 
gesinnte Asiaten und griechische Schmeichler drängten ihn, die göttliche Würde, 
die er angenommen hatte, zur Geltung zu bringen und die Formen des orien- 
talischen Despotismus, wie die anbetende Verehrung (Proskynesis), anzuwenden. 
Dem widersetzte sich aber der Freiheitssinn der Makedonier und Griechen; ihr 
Widerstand riß Alexander zu Handlungen fort, die sein Leben umdüstert und 
befleckt haben; so ließ er den Philotäs, des Parmeniön Sohn, weil er um eine 
Verschwörung gewußt habe, töten und darauf auch den greisen und verdienten 
Parmeniön ermorden; den Kleitos (Clitus), der ihm am Granikos das Leben 
gerettet hatte, tötete er mit eigener Hand bei einem Gelage in Marakanda. 
D. Aer Zug nach Indien. Ehrgeiz trieb Alexander weiter, wie es 
denn für den Welteroberer keine Grenze giebt; mit Indien hatte er am Fuße 
des Hindukusch bereits Fühlung gewonnen; dorthin verlegte außerdem die griechi- 
sche Phantasie einen Teil der Heroensage; Herakles und Dionysos sollten auf 
ihren Zügen dorthin gelangt sein. So rückte denn Alexander 327 das Kabul¬ 
thal abwärts zum I n d o s und betrat darauf das Fünfstromland x); am 
Hydaspes überwand er den Widerstand des tapferen Königs Poros; er zog 
ostwärts bis zum Hyphasis, wo das Heer den Weitermarsch verweigerte und 
dem Ehrgeiz des Königs endlich Halt gebot (326); denn dieser wollte sogar 
südöstlich in die Länder des Ganges vordringen. Indem Alexander diesen Plan 
aufgab, faßte er einen andern, großen Gedanken; aus einem Welteroberer ward 
er ein Weltentdecker; um die neuen Eroberungen in Indien auf dem Seewege 
mit dem persischen Reiche zu verbinden, fuhr er den Jndos abwärts. An 
seiner Mündung gedachte er eine Welthandelsstadt, wie Alexandreia an der 
Mündung des Nils, zu errichten. Seinem erprobten und einsichtsvollen Kampf- 
genossen Nearchos übertrug er die Führung der Flotte, die den Seeweg 
nach dem persischen Golfe entdecken (den Jndos mit dem Euphrat verbinden) 
sollte. Zur Vollendung des Planes unternahm er selbst den Zug durch das 
Küstenland Gedrosien, das heut. Belutschistan; in den wasserlosen Einöden litt 
das Heer unsägliche Beschwerden, aber das große Werk glückte; in Karmanien 
(der Küstenlandschaft westl. von Gedrosien) traf er mit Nearchos wieder zu- 
sammen (325). 
Eine unvergleichliche Siegeslaufbahn hatte Alexander vollendet; der Westen 
und der Osten der damaligen Welt war in die engste Beziehung gesetzt und 
überall durch Städtegründungen der Kultur eine neue Bahn eröffnet. Zur Be- 
herrschung des gewaltigen Reiches konnte Alexander die Perser nicht entbehren; 
daher ließ er eine zahlreiche persische Jugend nach griechischem Gebrauch in dem 
Waffendienst einüben; er hatte eine Verschmelzung der griechisch-makedonischen 
1) Es wird gebildet durch den Jndos, Hydaspes, Akestues, Hydraotes und Hyphasis.
	        
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