52
das ganze nördliche iranische Hochland; um die Jahreswende (330/29)
überschritt er die Pässe des Hindukusch, stieg zum turanischen Tieflande nach Bäk-
trien hinab und erwirkte die Auslieferung des Bessos; er überschritt darauf
den Oxos (den heut. Sir), die baktrische Grenze, und rückte über Marakanda
(wohl Samarkand) bis zum Jaxartes (dem heut. Amu) vor, seinem äußersten
Ziel im Norden. In diesen nördlichen Gegenden verblieb er bis zum Jahr 327.
Die schnellen Siege steigerten das Selbstbewußtsein Alexanders; sklavisch
gesinnte Asiaten und griechische Schmeichler drängten ihn, die göttliche Würde,
die er angenommen hatte, zur Geltung zu bringen und die Formen des orien-
talischen Despotismus, wie die anbetende Verehrung (Proskynesis), anzuwenden.
Dem widersetzte sich aber der Freiheitssinn der Makedonier und Griechen; ihr
Widerstand riß Alexander zu Handlungen fort, die sein Leben umdüstert und
befleckt haben; so ließ er den Philotäs, des Parmeniön Sohn, weil er um eine
Verschwörung gewußt habe, töten und darauf auch den greisen und verdienten
Parmeniön ermorden; den Kleitos (Clitus), der ihm am Granikos das Leben
gerettet hatte, tötete er mit eigener Hand bei einem Gelage in Marakanda.
D. Aer Zug nach Indien. Ehrgeiz trieb Alexander weiter, wie es
denn für den Welteroberer keine Grenze giebt; mit Indien hatte er am Fuße
des Hindukusch bereits Fühlung gewonnen; dorthin verlegte außerdem die griechi-
sche Phantasie einen Teil der Heroensage; Herakles und Dionysos sollten auf
ihren Zügen dorthin gelangt sein. So rückte denn Alexander 327 das Kabul¬
thal abwärts zum I n d o s und betrat darauf das Fünfstromland x); am
Hydaspes überwand er den Widerstand des tapferen Königs Poros; er zog
ostwärts bis zum Hyphasis, wo das Heer den Weitermarsch verweigerte und
dem Ehrgeiz des Königs endlich Halt gebot (326); denn dieser wollte sogar
südöstlich in die Länder des Ganges vordringen. Indem Alexander diesen Plan
aufgab, faßte er einen andern, großen Gedanken; aus einem Welteroberer ward
er ein Weltentdecker; um die neuen Eroberungen in Indien auf dem Seewege
mit dem persischen Reiche zu verbinden, fuhr er den Jndos abwärts. An
seiner Mündung gedachte er eine Welthandelsstadt, wie Alexandreia an der
Mündung des Nils, zu errichten. Seinem erprobten und einsichtsvollen Kampf-
genossen Nearchos übertrug er die Führung der Flotte, die den Seeweg
nach dem persischen Golfe entdecken (den Jndos mit dem Euphrat verbinden)
sollte. Zur Vollendung des Planes unternahm er selbst den Zug durch das
Küstenland Gedrosien, das heut. Belutschistan; in den wasserlosen Einöden litt
das Heer unsägliche Beschwerden, aber das große Werk glückte; in Karmanien
(der Küstenlandschaft westl. von Gedrosien) traf er mit Nearchos wieder zu-
sammen (325).
Eine unvergleichliche Siegeslaufbahn hatte Alexander vollendet; der Westen
und der Osten der damaligen Welt war in die engste Beziehung gesetzt und
überall durch Städtegründungen der Kultur eine neue Bahn eröffnet. Zur Be-
herrschung des gewaltigen Reiches konnte Alexander die Perser nicht entbehren;
daher ließ er eine zahlreiche persische Jugend nach griechischem Gebrauch in dem
Waffendienst einüben; er hatte eine Verschmelzung der griechisch-makedonischen
1) Es wird gebildet durch den Jndos, Hydaspes, Akestues, Hydraotes und Hyphasis.