Fränkische Kaiser. Fortsetzung. Die Normannen. 109
noch Eigenthum des Reichs; der bei weitem größere war Fürsten und Herren
oder Klöstern zum Lehen gegeben, und davon war wieder ein großer Theil
als Afterlehen an Kirchen, Stifter und Ritter vergeben. Eine noch größere
Ausdehnung hatte das Lehnswesen dadurch erhalten, daß nicht blos Lände-
reien. sondern auch Gerichtsbarkeit, Zölle, Befreiung von gemeinsamen Lasten?c.
als Lehen ertheilt wurde. Die durch das Herkommen schon längst eingeführte
Erblichkeit der kleineren Lehen wurde bald auch auf die größeren ausgedehnt,
und durch Konrad II. für Italien durch ein Gesetz bestimmt. Einzelnen
wurde sogar die Vererbung ihrer Lehen auf weibliche Verwandte gestattet.
Durch das Lehnsverhältniß waren die Vasallen zur Treue gegen den
Lehnsherrn und zur Sorge für seine Ehre und Sicherheit verpflichtet; sie
mußten bestimmte Kriegsdienste leisten, bei den Gerichtssitzungen des Lehns-
Herrn erscheinen und ihm Hülfsgelder zahlen. Verletzung dieser Pflichten zog
den Verlust des Lehens nach sich. Der Lehnsherr dagegen mußte den Vasallen
in seinen Rechten und seiner Ehre schützen.
Während der unruhigen Zeiten unter Heinrich IV. begannen die Städte
sich zu heben. Am ältesten waren die römischen Städte am Rhein und an
der Donau; im mittleren, nördlichen und östlichen Deutschland entstanden sie
meist bei Bischoffitzen oder königlichen Pfalzen, um welche sich die gemeinen
Freien ansiedelten, die sich nicht unter die Dienstmannschaft des Adels be-
geben wollten. Dagegen gerieth der Bauernstand, der gegen die Be-
drückungen der Vasallen bei den Königen keinen Schutz mehr fand, fast über-
all in das Verhältniß der Hörigkeit. Anfangs konnte Jeder dadurch feine
Freiheit wiedererlangen, daß er den Grundbesitz, an dem die Dienstbarkeit
haftete, aufgab; bald aber wurde die Unfreiheit der Grundstücke auch auf die
Personen ausgedehnt, und das Hörigkeitsverhältniß artete in völlige Leib-
Eigenschaft und nicht selten in die härteste Sklaverei aus.
§• 69.
Die Normannen.
Die Normannen (in England Dänen genannt), ein in Nor-
wegen, Schweden und Dänemark wohnendes germanisches Volk, er-
schienen zuerst ums Jahr 800. Von dieser Zeit an plünderten sie jährlich
die Küsten Deutschlands, Frankreichs und Englands (f. §. 64). Im
lOten und Ilten Jahrhundert wurden sie im nördlichen Frankreich,
in Unter-Italien und in England das herrschende Volk.
1. Nach vielen Plünderungszügen erhielten die Normannen 911
durch Karl den Einfältigen im nördlichen Frankreich Wohnsitze. Ihr
Anführer Rollo (in der Taufe Robert genannt) wurde als Herzog
mit der Normandie und der Lehnshoheit über die Bretagne belehnt;
fie selbst nahmen schnell die Sprache und Sitte der Eingeborenen an.
2. Vom Jahre 1000 an waren Pilger aus der Normandie nach
Unter-Italien gekommen, und hatten dort in den Kämpfen der Laugo-
barden, Griechen und Saracenen mitgefochten. Es folgten ihnen viele
ihrer Landsleute, alle tapfer und listig, unter Anführung der Grafen
von Hauteville. Als sie nach einem Zuge gegen die Araber auf