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zu Vernichtung übergeben, Athen selbst, die Heiligtümer der Ionier und
die Götterbilder der Griechen.
Ich tadele aber auch den Brauch der Ägypter. Sie verehren einen
Stier, einen Vogel, einen Bock und die Brut des Nil. Deren Leiber
sind sterblich, ihr Leben ist nichtswürdig, ihr Anblick kläglich, ihr Kult
ist gemein und ihre Verehrung häßlich. Der Gott stirbt bei den Ägyp¬
tern, der Gott wird betrauert und gleichzeitig das Heiligtum des Gottes
und das Grab des Gottes gezeigt. Die Griechen opfern auch guten
Menschen, ihre Tugenden werden geehrt, ihr unglückliches Schicksal
aber mit Schweigen übergangen. Bei den Ägyptern jedoch wird das
Göttliche ebensosehr verehrt wie beweint. Eine Ägyptierin zog einst
das Junge eines Krokodils auf. Die Ägypter priesen die Frau glücklich,
da sie ja die Amme eines Gottes sei. Manche von ihnen wandten sich
bittflehend an sie und ihren Pflegling. Die Frau hatte einen Sohn, halb
Knabe, halb Jüngling, der dem Gotte gleichaltrig war und mit ihm
spielte und großgezogen wurde. Eine zeitlang war das Krokodil zahm,
so lange es noch schwach war. Als es aber groß wurde, zeigte es
seine (wahre) Natur und fraß das Kind auf. Die unglückliche Ägyp¬
tierin aber pries ihren Sohn wegen seines Todes glücklich, weil er als
Geschenk an den Gott des Hauses gedient habe.
Die Kelten verehren den Zeus, das Bild des Zeus ist bei ihnen
eine hohe Eiche. Die Päonen verehren den Helios, als sein Bild gilt
bei ihnen eine kurze Scheibe, die oben auf einer langen Stange be¬
festigt ist. Die Araber verehren einen Gott, welchen, weiß ich nicht.
Sein Bild habe ich aber gesehen, und zwar ist es ein viereckiger Stein.
Bei den Paphiern wird Aphrodite verehrt. Ihr Bild kann man mit nichts
anderem vergleichen als mit einer weißen Pyramide. Aus welchem
Material es besteht, weiß man nicht. Bei den Lykiern entströmt dem
Olymp ein Feuer, das nicht dem des Ätna ähnlich ist, sondern
ruhig brennt und gleichmäßig erscheint. Dies Feuer gilt bei ihnen als
Heiligtum und Götterbild. Die Kappadokier haben einen Berg, der
gleichzeitig als Gott, zum Eidschwur und als Götterbild dient. Bei
den Märtern ist es der (märtische) See, der Don bei den Massageten.
O ihr zahlreichen und mannigfachen Götterbilder, die teils von der
Kunst geschaffen wurden, teils, weil man auf sie angewiesen war, hoch¬
gehalten wurden, teils wegen des Nutzens verehrt wurden, teils wegen
des Entsetzens angestaunt wurden, teils wegen ihrer Größe für göttlich
erklärt wurden, teils wegen ihrer Schönheit gelobt wurden! Fast kein
Volk, Barbaren oder Griechen, Meer- oder Landbewohner, Nomaden
oder Städter, hat es unterlassen, irgend welche Symbole für die Ver-,
ehrung der Götter zu errichten. Wie würde nun jemand die Frage
entscheiden, ob man Götterbilder aufrichten soll oder nicht? Wenn
wir irgend welchen anderen Menschen Gesetze vorschreiben müßten,
die weit über unsere Grenzen hinaus wohnen, außerhalb des uns um¬
gebenden Äthers, die vielleicht gerade aus der Erde auftauchten oder
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