Full text: Aus der antiken Geisteswelt

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der Herrscher aber hielt er für wichtig, weil nach seinem Urteil jene 
wenig, diese aber viel verderben; dem Herrscherstande aber, glaubte 
er, zieme nicht Fahrlässigkeit, sondern gewissenhafte Tätigkeit. 
Von seinem Körper ein Bild aufzustellen weigerte er sich, obgleich 
viele ihm damit ein Geschenk machen wollten, von seiner Seele aber 
Denkmäler zu hinterlassen, strengte er sich unaufhörlich an. Jenes sei 
ein Werk der Bildhauer, meinte er, dieses aber sein eigenes, jenes die 
Sache der Reichen, dieses die der Guten. Von seinem Vermögen machte 
er nicht nur einen gerechten, sondern auch einen edlen Gebrauch; dem 
gerechten Manne sei es genug, glaubte er, fremdes nicht anzutasten, 
der edle aber müsse auch mit seiner eigenen Habe noch Nutzen stiften. 
Immer fürchtete er sich vor dem Zorne der Götter, denn die, welche 
gut leben, hielt er noch nicht für glücklich, die aber, welche ruhmvoll 
sterben, für selig. Wenn er gelobt wurde, freute er sich mehr, als wenn 
er Geld erwarb. Tapferkeit aber zeigte er mehr mit Klugheit als mit 
Tollkühnheit verbunden, und Weisheit übte er mehr in Taten als in 
Worten. Äußerst gefällig gegen Freunde, war er den Feinden im höchsten 
Grade furchtbar; äußerst standhaft im Erdulden von Beschwerden, war 
er gegen seine Vertrauten mit größter Freude nachgiebig. 
Im Glücke verstand er mäßig zu sein, im Unglück aber konnte er 
guten Mut behalten. Anmut suchte er nicht in Scherzen, sondern im 
Betragen zu beweisen, und sein Stolz war nicht mit Übermut, sondern 
mit vernünftigem Selbstbewußtsein verbunden. Daher verachtete er die 
Prahler und war selbst bescheidener als die Anspruchslosen. Denn er 
suchte seine Ehre in einem schlichten Äußern und darin, daß er selbst 
so wenig als möglich bedürfe, den Freunden aber so viel als möglich 
nütze. Überdies war er als Gegner sehr hitzig, als Sieger sehr gelinde, 
für Feinde schwer zu hintergehen, für Freunde leicht zu bewegen. 
Während er immer das Glück der Freunde sicherte, machte er sich’s 
zum Geschäft, das der Feinde zu erschüttern. Seine Verwandten priesen 
seine Liebe gegen sie, seine Vertrauten seine Dienstfertigkeit, jeder, 
der ihm einen Dienst geleistet hatte, rühmte seine Dankbarkeit, die Be¬ 
drängten nannten ihn ihren Helfer, und die mit ihm in Gefahr waren, 
nächst den Göttern ihren Retter. 
Auch das scheint er mir unter allen Menschen allein bewiesen zu 
haben, daß zwar die Körperkraft altere, die Seelenkraft wackerer Männer 
aber dem Alter nicht unterworfen ist. Er wenigstens gab es nie auf, 
nach großem und edlem Ruhme zu streben, wenn auch sein Körper 
schließlich seiner Geisteskraft nicht mehr gewachsen war. Wer war in 
der Blüte des Lebens den Feinden so furchtbar als Agesilaus, nachdem 
er schon das längste Ziel des Lebens erreicht hatte? Wann freuten 
sich die Feinde mehr, einen Mann aus dem Wege geräumt zu sehen, 
als bei Agesilaus, obgleich er erst im hohen Alter verschied? Wer 
machte den Bundesgenossen Mut wie Agesilaus, wenngleich er schon 
am Ausgange des Lebens stand?
	        
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