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und merkte wohl, daß es ein anderes Messer war. Und auf seine Frage,
woher es gekommen sei, gestand Wieland, daß er selbst es geschmiedet habe.
Da sprach der König: „Ich dachte wohl, daß mein Schmied dieses
Messer nicht verfertigt habe, denn aus dessen Hand sah ich noch nie etwas
so Vortreffliches hervorgehen."
5. Darob ward der Hofschmied, der auch zugegen war, sehr zornig und
sprach: „Lasset uns erst unsere Geschicklichkeit erproben, ehe ich ungeschickter
heißen soll als dieser Fremdling." Darauf machten er und Wieland eine
Wette miteinander. Jeder wollte etwas schmieden; der Hofschmied einen
Helm und Panzer, Wieland ein Schwert. Wessen Stück dann besser
befunden würde, dem sollte des andern Haupt verfallen sein. Die Probe
aber sollte so sein, daß der Hofschmied selbst seine Rüstung anlege und
Wieland sie dann zu durchhauen suche. Gelinge ihm das nicht, so solle
jener ihn töten dürfen und ebenso umgekehrt.
Sofort ging der Schmied mit allen seinen Gesellen zur Werkstatt
und begann seine Arbeit; Wieland dagegen diente dem Könige wie zuvor
und schien sich lange Zeit um die eingegangene Wette gar nicht zu kümmern.
Da fragte ihn der König eines Tages, ob er denn nicht auch bald
zu schmieden beginne. Wieland sprach: „Herr, mir fehlt ein Schmiede¬
haus, darin ich schmieden könnte?" Alsbald gab der König Befehl, und
in kurzer Zeit war das Haus fertig.
6. Nun ging Wieland zum Strande, sein Werkzeug zu holen, das er
dort vergraben hatte. Aber er fand nichts mehr; es mußte jemand gestohlen
haben. Da ging er zum Könige und klagte ihm sein Leid, erzählte ihm
auch, wie einer vom Hofe zugesehen habe, als er sein Eigentum vergrub;
nur wisse er dessen Namen nicht zu nennen. Da fragte der König, ob er
den Mann wohl wiedererkennen werde, und als Wieland das bejahte,
berief er alle Männer seines Reiches zu einer Volksversammlung.
Wieland ging suchend unter den Männern umher, fand aber den
Täter nicht. Da ward der König zornig und schalt ihn einen Toren.
Dann entließ er die Männer.
Wieland aber ging hin und verfertigte aus Metall ein Mannsbild; das
war anzuschauen, als ob es lebte. Das stellte er eines Abends in eine Ecke
der Königshalle, wo der König vorbeigehen mußte, wenn er zu Bette ging.
Als das nun geschah, leuchtete ihm Wieland mit der Fackel voran. Da
erblickte der König das Bild und sprach: „Willkommen, lieber Freund
Regin! Warum stehst du hier und bringst mir nicht Antwort auf die
Botschaft, die ich dir auftrug?"
Da sagte Wieland: „Der da ist nur ein Erzbild, das ich nach der
Erinnerung gemacht habe. Nun aber weiß ich den Namen dessen, der
mir beim Vergraben meines Eigentums zusah." Ta wunderte sich der