Das Altertum
Die römischen Kaiser nach dem Tode des Augustus
(f 14 n. Chr.).
Die uier üitifec aus item Jkufe der Etauifiei1, 14—68.
§ l. 1. Tiberius Claudius Nero. 14—37. Obwohl Tiberius.
der Stiefsohn des Augustus, bei seinem Regierungsantritte bereits 56
Jahre alt mar, so zeigte er doch eine außerordentliche Tatkraft. Aber
die leidige Verstellung, die er in seiner Jugend im Hause des Augustus
unter der Anleitung seiner ränkesüchtigen Mutter geübt hatte, hatte ihn
an Heuchelei derart gewöhnt, daß er selbst mit guten Regierungs-
maßregeln nicht offen hervorzutreten wagte, und in seinem herrsch-
süchtigen Geiste einen solchen Ilrgwohn erzeugt, daß er jede Größe, jedes
hervorragende Verdienst mit Eifersucht betrachtete. Der Charakter des
Tiberius ist allerdings von den alten Geschichtschreibern verschieden
beurteilt worden. Während ihn die zeitgenössischen Schriftsteller lobend
erheben, schildert ihn Tacitus (Annal. VI, 51) als einen boshaften
und grausamen Tyrannen. Mit sicherem Blick erkannte Tiberius, daß
es nicht einer meiteren Ausdehnung des römischen Reiches bedürfe. Die
Provinzen verlebten unter ihm bei dem geringen Wechsel der Statthalter
eine glückliche Zeit. Den Germanicus, roelcher auf drei Feldzügen in
Germanien (14—16, f. S. 26) reiche Lorbeern erworben, rief er aus
seiner Siegesbahn ab und sandte ihn nach Syrien, wo er starb, wahr¬
scheinlich von dem dortigen Statthalter (Cn. Piso) aus dem Wege
geräumt (19). Nach dem Tode des edlen und allgemein gefeierten
Helden trat der finstere Argwohn des Tiberius immer gehässiger hervor.
In den neu eingeführten ludicia maiestatis wurde jede freie Äußerung
über die Regierung und die Person des Herrschers streng bestraft, und
das Heer der Angeber (delatores) bewies, wie sehr der alte Re-
publikanersinn geschwunden war. Besonders seitdem Tiberius dem Prae-
fectus praetorio Älius Sejanus die Leitung der Geschäfte überlassen
Stein, Lehrbuch der Geschichte f. ob. Kl. II. 1