Aas Mittelalter.
Einleitung.
§ 8. Zwei Tatsachen sind es besonders, welche die Welt des Alter-
tums gleichsam aus den Angeln heben und eine neue Zeit, das sogenannte
Mittelalter, anbahnen: die Ausbreitung des Christentums und das mit
der Völkerwanderung beginnende Auftreten neuer germanischer Stämme.
Auf den verschiedensten Gebieten des Lebens machte sich die Wirkung
dieser Ereignisse geltend. Die Religion, das Staatswesen, die bürgerlichen
Verhältnisse und die Künste erfuhren eine tiefgreifende Umwandlung. An
die Stelle des heidnischen Götterdienstes trat die Verehrung eines einzigen,
rein geistigen Gottes. Die neue Religion predigte Tugenden, von denen
das Heidentum keine Ahnung hatte. Sie lehrte das Gesetz der all-
gemeinen Menschenliebe, sie gab sich nicht als eine bloße Staatsreligion
zu erkennen, sondern wollte alle Stände des Volkes in gleicher Weise
umfassen. Das Altertum fand im Streben für das Vaterland, für Ehre
und Ruhm das höchste Ziel menschlicher Tätigkeit, das Christentum
stellte sittliche Vervollkommnung für das Jenseits als wichtigsten Lebens-
zweck auf. Während die Verfassung der alten Staaten meistens un-
beschränkt monarchisch oder republikanisch war. rief der Einfluß des
Germanentums im Mittelalter eine neue Staatsform, die Lehnsmonarchie,
ins Leben, indem mächtige Vasallen der Krone ein bedeutendes, für die
Festigung der Herrschaft zwar oft störendes, aber den Herrscherwillen
mäßigendes Gegengewicht schufen. Wichtiger noch waren die Ver-
Änderungen auf dem Gebiete des bürgerlichen Lebens. j$ie Frauen,
welche im Altertums kaum mehr Rechte genossen als die Sklaven, er-
hielten durch den Einfluß des germanischen Wesens und des Christentums