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schriebenen Leitfadens, sondern als lebendig gestaltende, frisch und frei schaffende
Person. Sie ist es, in der und durch die das Lehrobjekt sich dem Schüler dar-
stellt; sie ist das Glied, durch dessen Vermittelung sich der Prozeß der Verinner-
lichung im Schüler vollzieht." *)
Aufgabe: Entwirf eine Lektion mit genauer Angabe der bei der Vorbereitung be¬
nutzten Bücher und der beim Unterricht zu verwendenden Veranfchaulichungsmittel!
§ 13.
Die Heimatkunde.
A. Die geschichtliche Entwicklung.
Die Entwicklung der heimatkundlichen Bestrebungen ist natur-
gemäß mit der des geographischen Unterrichts eng verknüpft. Wie dieser erst ver-
hältnismäßig spät sich eine selbständige Stellung in der Schule erworben hat, so
ist auch die Heimatkunde lange Zeit über den Standpunkt eines als nützlich und
notwendig anerkannten Zweiges der Geographie nicht hinausgekommen. Der erste
Pädagoge, welcher die Notwendigkeit eines heimatkundlichen Unterrichts klar erkannte,
war Comenius. Er forderte schon in seiner „Mutterschule", „daß die Geo-
graphie soll beginnen mit Kenntnis der Stube, des Gehöfts, der Straßen, der
Felder", und in seiner „Didactica magna", in der er im übrigen den analytischen
Gang empfahl, heißt es: „Eine Einleitung in die Geographie findet statt, wenn
die Kinder verstehen lernen, was ein Berg, ein Tal, ein Acker, ein Fluß, ein Dorf,
ein Flecken, eine Stadt ist; und in der Astronomie wird es ein Anfang sein, wenn
das Kind weiß, was man Himmel, Sonne, Mond, Sterne nennt, und wenn es
bemerkt, daß sie täglich auf- und untergehen."
Während bei Comenius die Forderung heimatkundlicher Belehrung mit der
Anerkennung der auf eigene Beobachtung, selbständiges Denken und selbsttätiges
Forschen in der Natur gerichteten Bestrebungen Bacos von Vernlam und mit seiner
daraus hervorgehenden Vorliebe für die Realien überhaupt zusammenhing, begegnen
wir ihr ein Jahrhundert später bei Rousseau und den Philanthropen
als Ausfluß ihres begeisterten Eintretens für eine naturgemäße Erziehung. Da
die Grundpfeiler einer solchen nur Beobachtung, Erfahrung und Selbsttätigkeit sein
können, ergab sich als Weiterentwicklung der Bestrebungen des Comenius die
Forderung, daß die heimatkundlichen Belehrungen im synthetischen Lehrgange den
Kindern vermittelt werden müßten. Rousseau sagt daher im „Emil": „Die beiden
ersten geographischen Punkte mögen die Stadt sein, wo das Kind her ist, und das
Landhaus seines Vaters. Darauf folgen die Orte, die zwischen beiden liegen,
hierauf die Flüsse in der Nachbarschaft, endlich der Stand der Sonne und die Art,
sich zu orientieren. — Das Kind entwerfe sich selbst von allem eine Karte;
dieselbe sei sehr einfach und enthalte anfänglich nur zwei Gegenstände. Diesen
füge es nach und nach die übrigen hinzu, sowie es dieselben kennen und ihre Eni-
fernuug und Lage abschätzen lernt. — Man mache den Knaben aufmerksam auf
den Auf- und Untergangspunkt der Sonne und lasse ihn darüber grübeln, wie die
Sonne aus Westen nach Osten zurückkehrt. Die Beobachtung, wie sie von Osten
*) Trunk, Die Anschaulichkeit des geographischen Unterrichts. Leipzig, Teubner.