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Secunden anhält und der eine schmerzhafte Betäubung folgt. In
der ausdrucksvollen Sprache der Tamanacos heißt daher der Zitter¬
aal Arimna, das heißt „der die Bewegung raubt."
Während die Zitteraale für den europäischen Naturforscher
Gegenstände der Vorliebe und des lebhaftesten Interesses sind,
werden sie von den Eingebornen gefürchtet und gehaßt. Ihr
Muskelfleisch schmeckt allerdings nicht übel, aber der Körper be¬
steht zum größten Theil aus dem elektrischen Organ, und dieses
ist schmierig und von unangenehmem Geschmack; man sondert es
daher auch sorgfältig vom Uebrigen ab. Zudem schreibt man es
vorzüglich den Zitteraalen zu, daß die Fische in den Sümpfen und
Teichen der Llanos so selten sind. Sie tödten ihrer viel mehr,
als sie verzehren, und die Indianer erzählten uns, wenn man in
sehr starken Netzen junge Krokodile und Zitteraale zugleich fange,
so sei an letzteren nie eine Verletzung zu bemerken, weil sie die
jungen Krokodile lähmen, bevor diese ihnen etwas anhaben können.
Alle Bewohner des Wassers fliehen die Gemeinschaft der Zitter¬
aale. Eidechsen, Schildkröten und Frösche suchen Sümpfe auf,
wo sie vor jenen sicher sind. Bei Uritucu mußte man einer
Straße eine andere Richtung geben, weil die Zitteraale sich in
einem Flusse so vermehrt hatten, daß sie alle Jahre eine Menge
Maulthiere, die belastet durch den Fluß wateten, umbrachten.
3. Der Fels der Mutter.
A. v. Humboldt's Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Con-
tinents. In deutscher Bearbeitung von H. Hauff. Stuttgart, 1859—60.
III. 295.
Wir verließen die Mission (San Balthasar am Atabapo)
Morgens und fuhren den Atabapo noch fünf Meilen hinauf; statt
ihm aber weiter seiner Quelle zu gegen Osten zu folgen, liefen
wir jetzt in dem Rio Temi ein. Ehe wir an die Mündung dessel¬
ben kamen, wurden wir aus eine Granitgruppe am westlichen Ufer
aufmerksam. Dieselbe heißt der Fels der Guahiba-Indianerin,
oder der Fels der Mutter. Wir fragten nach dem Grund einer
so sonderbaren Benennung. Pater Zea konnte unsere Neugierde
nicht befriedigen, aber einige Wochen später erzählte uns ein an¬
derer Missionär einen Vorfall, den ich in meinem Tagebuche aus¬
gezeichnet und der den schmerzlichsten Eindruck auf uns mackte.
Wenn der Mensch in diesen Einöden kaum eine Spur seines Da¬
seins hinter sich läßt, so ist es für den Europäer doppelt demü¬
thigend, daß durch den Namen eines Felsen, durch eines der un¬
vergänglichen Denkmale der Natur, das Andenken an die sittliche
Verworfenheit unseres Geschlechts, an den Gegensatz zwischen der