Full text: Das Altertum (Teil 1)

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Im Gegensatz zu der ihr gezollten Achtung'), die auch aus dem hohen 
Wergeld hervorgeht, das bei der Tötung oder Verletzung einer Frau zu 
zahlen war, war ihre Stelluug völlig rechtlos. Zeitlebens stand sie in 
der munt des Mannes; denn nach dem Tode ihres Gatten besaß sogar 
ihr "Söhn"Hansherrn gew alt über sie. 
Altdeutsche Bis zur neunten Nacht nach der Geburt eines Kindes hatte der 
^namerT' Vater zu entscheiden, ob er es aussetzen oder aufziehen wolle. Alsdann 
wurde dem Neugeborenen unter altheiligen Zaubersprüchen in Gegenwart 
von Zeugen ein Name gegeben. Unsere altdeutschen Personennamen 
spiegeln eine tiefe Bedeutung wieder und lassen den stolzen, kriegerischen 
und edlen Geist des Volkes erkennen, das seinen Söhnen Namen gab 
wie Hilbebrand = Schlachtenfeuer. Ortwin = Schwertfreund. Ludwig 
= ruhmvoller Kämpfer. Ludolf = Ruhmeswolf. Dietrich = Volks¬ 
herrscher, Siegmund — Schützer durch Sieg, Ewald — Gesetzeshüter, 
Friedrich — Friedensfürst.2) 
Die weiblichen Vornamen erinnern in ihrer Zusammensetzung einer- 
seits an die Schlachtenjungfrauen der germanischen Mythologie, wie Hedwig. 
Hildgund = Kriegskampf, Wulfhilde = Wolfskampf, Siegrun = Sieg¬ 
zauberin, anderseits weisen Bildungen mit bürg und gard auf das 
schützende Walten der Frau im Hause, während run = rannen und 
lind = Schlange, als Bild geheimen Wissens, zeigen, daß die Germanen, 
wie ja auch Tacitus berichtet, den Frauen eine gewisse Heiligkeit und 
einen Blick in die Zukunft beilegten. 
Unter der Pflege der Mutter wuchsen die Germanen heran zu den 
großen, kräftigen Gestalten mit trotzigen, blauen Allgen und rötlich- 
blondem Haar, die die Römer staunend bewunderten. Feinere Erziehung 
der Herrenkinder kannte man nicht. Zwischen demselben Vieh, auf dem-' 
selben Boden lebten sie hin. bis „das Alter die Freigeborenen sonderte 
und innerer Adel ihnen den Stempel aufdrückte" (Tacitns). Der Haus- 
i he^r bestimmte den Gatten der Töchter, die mit der Heirat aus seiner 
munt ausschieden, um in die ihres Mannes überzugehen. Waren die 
i) Die Germanen glauben, daß den Frauen etwas Heiliges und Ahnungs- 
volles innewohne und verachten ihre Ratschläge und Antworten nicht. Da¬ 
mit das Weib nicht glaube, sie dürfe ohne Mut und Tatkraft dahinleben, 
fern den Wechselfällen des Krieges, wird sie sogar bei der Eheschließung daran 
erinnert, daß sie in Arbeit und Gesetz, in Frieden und Krieg des Mannet 
Genossin sein solle. (Tacitus.) 
2) O weh. lieber Wolfhart, und Hab' ich dich verloren, 
So mag mich bald gereuen, daß ich je ward geboren, 
Siegstab und Wolswein und auch Wolfbrand! (Nibelungen.)
	        
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