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den Geschlechtern, da ja jeder neue Totschlag wiederum blutig gesühnt
werden mußte. Aus diesem Grunde, vielleicht auch aus egoistischen
Motiven, ging der Sühnevertrag hervor, demzufolge die Sippe „der
lebenden Hand" sich verpflWeieT'IZer Sippe „der toten Hand" eine Ent-
Das Wergeld. schädiguugssumme, ein Wer- oder Manngeld, zu bezahlen, dessen Wert
ursprünglich in Vieh, mit der Entwicklung der Geldwirtschast außerdem
in Geld angegeben wurde.1) Auch nach der Entwicklung eines geordneten
Gerichtswesens verlor die Sippe ihre Bedeutung nicht. Die Sippen be-
gleiteten jeden Gesippen vor Gericht. Mußte der Angeklagte schwören,
so versicherte die Sippe eidlich, daß sein Eid „rem und nicht mein" (falsch)
sei; Voraussetzung dieses Eides war zweifellos eine enge Lebensgemeinschaft,
da jeder über das Tun und Treiben des andern orientiert sein mußte.
Austritt aus Obwohl die Sippe ein mächtiger Schutz des einzelnen war, waren
der Sippe. Streitigkeiten innerhalb derselben Sippe nichts Seltenes. Die Ge-
schichte Hermanns zeigt deutlich, daß nahe Verwandte sich feindlich gegen-
über stehen konnten. Ein förmliches Austreten aus der Sippe war
darum keine Unmöglichkeit, wurde sogar später unter bestimmten Ceremouien
vollzogen.2) Anderseits stand es auch der Sippe frei, einen ihrer Gesippen,
für dessen Handeln sie nicht weiter eintreten wollte, aus ihrer Mitte
auszustoßen.
Die Beschäftigung. Eine Hauptbeschäftigung des freien Germanen
Die JllA>-war bie Jagd. Der Schutz der Herden und des besiedelten Landes, die
Sorge für die Lebensbedürfnisse und nicht zuletzt die Lust am frischen, fröh-
lichen Jagen trieb die Germanen zum edlen Weidwerk. Elche, Ur und Wisent,
Wildschweine, Hirsche und Rehe, die gefährlichen ViehränberBär und Wolf,
dann kleineres Wild wie Hüchs, Luchs, Dachs und Otter, "die Vögel in
Wald und Sumpf wurden mifSpeer oder Bogen gejagt. Begleitet von einem
treuen Hunde, traten die kühnen Jäger dem Wilde entgegen. Größere
Tiere, namentlich Wölfe, wurden manchmal listig in Fallgruben gefangen,
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x) Die Feindschaften des Vaters oder des Verwandten so gut wie seine
. Freundschaften zu erben, ist Pflicht. Doch währen sie nicht ewig ohne Versöhnung
: fort. Gesühnt wird nämlich selbst der Totschlag mit einer bestimmten Anzahl
von Zugtieren oder kleinerem Vieh, und es nimmt das ganze Haus die.Sühne
an . . . (Tacitus) — Wenn jemand ein Wergeld zahlen soll, so kann er . . .
eine gesunde Kuh für einen Solidus geben, ein sehendes, gesundes Pferd für
6 Solidi . . . ein Schwert . . . für 7 Solidi. Salisches Gesetz.
2) Wenn sich jemand aus der Sippschaft loslösen will, so muß er au
der Mahlstätte vier Stäbchen ans Ellernholz über seinem Haupte in vier
Stücke zerbrechen und diese aus den Mahlberg werfen, wobei er spreche, daß
er sich losmache von dem Eide, von der Erbschaft und jeder Verpflichtung
gegen sie; und wenn nachgehends einer von seinen Verwandten sterbe, so soll
weder Erbschaft noch Buße ihm zukommen. (Salisches Gesetz.)