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ihn selbst bestohlen habe, um eine Entschädigungssumme sür einen an-
geblich verschwundenen Gegenstand zu erpressen.
Jene Turkmenen, welche große Herden besitzen, sind durch dieselben
zu immerwährender Wanderschaft gezwungen. Sie ziehen von Oase zu
Oase, schlagen bei einem Brunnen ihr Lager auf, uud wenn die Herden
alles Gras ringsum abgeweidet haben, geht es weiter zu einem anderen
Weideplatz. Gnte Brunnen sind im Turkmenengebiete selten. Man muß
oft 5—6 Klafter tief graben, bevor man auf Waffer stößt, uud alle
Arme, über welche ein Stamm verfügt, müssen sich regen, wenn ein neuer
Brunnen gegraben werden soll. Ein solcher gilt dann aber auch als
eiu kostbares Besitztum, als eine Art Heiligtum, uud in der Regel werden
in seiner Nähe die Begräbnisplätze gewählt.
Die Armut, welche bei den Turkmenen herrscht, beeinflußt felbftver-
stündlich auch ihre gauze Lebensweise, die kaum uoch einfacher sein kann.
Zum Frühstück wird trockenes Brot mit Zwiebeln genossen; die Haupt-
mahlzeit besteht entweder aus gekochtem Reis oder kleinen Stücken Hammel-
fleisch, die am Spieß gebraten werden, oder auch aus Bohnen mit einem
Zusatz von Mehl, Pfeffer und Salz gekocht, aus Kürbissen, Melonen
n. s. w. Als Getränk dient gegorene Kamelmilch, welche der Turkmene
mit Vorliebe trinkt, und Thee, der ohne Zucker getrunken wird. Der
Turkmene ist überhaupt in Bezug auf seine Kost nicht wählerisch, und
in Zeiten der Not nimmt er mit manchem vorlieb, was nnsern Ekel er-
regen würde. Übelriechendes Wasser, welches sogar die Kosakeupserde ver-
schmähten, hat man Turkmenen ohne Bedenken trinken gesehen. Ein
Turkmenenmagen hat jedenfalls nicht seinesgleichen; denn sie Pflegen so-
gar Hammelhäute zu verzehren. Nachdem die Wolle abgezogen worden,
wird die Haut in lange Streifen geschnitten und am Feuer geröstet. Da-
für entschädigt sich aber der Turkmene reichlich für alle Entbehrungen,
wenn einmal zeitweilig nach einem Raubzuge bei ihm Überfluß herrfcht,
und seine Gefräßigkeit ift dann ebenso groß, wie früher seine Genügsam-
keit. Den Gebrauch von Messer und Gabel bei der Mahlzeit kennt der
Turkmene nicht. Er ißt mit den Fingern; jeder sucht sich aus der Schüssel
das ihm behagende Stück heraus, taucht es in die Brühe uud löffelt so
dieselbe aus. Ist die Mahlzeit beeudet, werden die Finger abgeleckt und
das an ihnen noch haftende Fett ins Gesicht geschmiert; denn eine fett-
glänzende Haut gilt als schön.
Festgelage, die auf seine Kosten stattfinden, liebt der Turkmene nicht;
denn eine seiner hervorstechendsten Charaktereigentümlichkeiten ist der Geiz,
und überdies verschmäht er alle berauschenden Getränke. Dagegen sind
viele Spiele und Belustigungen üblich, welche eine Abwechselung in das
einförmige Nomadenleben bringen. Eine Hochzeits- oder eine Toten-
feier bringt den ganzen Aul in Aufregung. Mit der ersten ist das söge-