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Das Kaiserreich.
§68
Ohne Preußens Forderungen einer Antwort zu würdigen, zog
Napoleon die Truppen, die er nach dem letzten Feldzuge in Süddeutsch-
laud zurückgelassen hatte, am oberen Main zusammen und führte sie über
den Franken- und Thüringerwald nach dem oberen Saaltal. Nach-
dem schon am 9. Oktober bei Schleiz ein für die Preußen Unglück-
liches Gefecht geliefert worden war, wurde am 10. Oktober die Vorhut
Saalfeld des Fürsten Hohenlohe bei Saalfeld vollständig geschlagen und aus-
(I°i806)°6er einandergesprengt; Louis Ferdinand fiel in dem Gefechte. In Eilmärschen
erreichte die Spitze der französischen Armee Naumburg. Auf diese Nach-
richten hin befahl der Herzog, den Rückzug nach Magdeburg anzutreten,
den der Fürst Hohenlohe bei Jena decken sollte; Karl August von Wei-
mar, der abgesandt worden war, durch einen großen Umgehungsmarsch
nach Franken Napoleon in den Rücken zu fallen, und schon bis Meiningen
gekommen war, wurde zurückgerufen.
Jena Da wurde am 14. Oktober sowohl Hohenlohe bei Jena wie auch das
<i4. Okt.). ^nu^t^eer Anerstädt unvermutet angegriffen. Am Nachmittage des 13.
und in der Nacht zum 14. hatten bereits französische Heeresabteilungen, bei
denen sich der Kaiser selbst befand, den Landgrafenberg bei Jena erklommen.
Im Nebel des Herbstmorgens traf Marschall Lannes, der gegen das Dorf
Klosewitz vorgehen sollte, auf General Tanentzien. Nachdem die Preußen
von der Übermacht nach tapferer Gegenwehr auf das Dorf Vierzehnheiligen
zurückgedrängt worden war, entspann sich dort ein heftiger Kampf. Am Nach-
mittag war sowohl die Armee Hohenlohes als auch das Korps Nüchels,
das zu ihrer Unterstützung herangezogen worden war, zurückgeworfen, und
beide gingen in voller Auflösung nach Weimar zu zurück. Hinter Weimar
gerieten die flüchtenden Scharen in den Rückzug der Hauptarmee hinein,
Nuerstcidt. bie nach ihrem Aufbruch aus Auerstädt bei dem Dorfe Hassenhausen
auf das Korps des Marschalls Davoüt gestoßen war. Bei Beginn der
Schlacht war der Herzog von Braunschweig tödlich verwundet worden.
Am Nachmittag befahl der König den Rückzug, der am Abend und in der
Nacht unter zunehmender Verwirrung ausgeführt wurde; die Trümmer
der preußischen Armee suchten über Erfurt und den Harz Magdeburg zu
gewinnend General Blücher, dem sich Aorck mit seinen Jägern und
Scharnhorst angeschlossen hatten, schlug sich nach Lübeck durch und rettete
1 Nach der Schlacht hatten namentlich Jena, Apolda und Weimar, wo die Fran¬
zosen auch in Goethes Haus eindrangen, aufs schwerste unter Plünderungen, Einquar-
tierungs- und Kontributionslasten und Roheiten aller Art zu leiden. Schließlich gelang
es Karl Augusts Gemahlin, der Herzogin Luise, die allein von der herzoglichen Fa-
milie nicht geflüchtet war, bei Napoleon Verbote gegen die Plünderung zu erwirken.
Ihr tapferes und würdevolles Verhalten Napoleon gegenüber nötigte ihm soviel Hoch-
achtung ab, daß er, obwohl anfangs gegen den Herzog höchst aufgebracht und entschlossen,
ihn abzusetzen, versprach, ihm Land und Krone unter der Bedingung zu erhalten, daß
er sofort aus dem preußischen Dienste ausschiede. Ausschlaggebend war für ihn dabei
wohl die Absicht, sich bei seinen Verhandlungen mit Rußland des Herzogs zu bedienen,
dessen Sohn Karl Friedrich mit Maria Paulowna, einer Schwester des Zaren, ver-
mahlt war.