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Frankreich im 17. Jahrhundert.
§ 14. 15
eine Vorherrschaft der französischen Literatur und Sprache in Europa, die die
politische Vorherrschaft lange überdauert hat. Man fand bei ihnen, was man
in der übrigen Welt vergebens suchte, würdigen Inhalt und vollendete Form.
Frau von Seit 1685 war Ludwig mit Frau von Maintenon verheiratet. Sie
Mmntenon. entstammte einer hugenottischen Familie, hatte aber schon als Kind den katho-
tischen Glauben angenommen. Nach dem Tode ihres ersten Gemahls war
sie als Erzieherin der Kinder des Königs an seinen Hof gekommen und hatte
allmählich seine Gunst in so hohem Maße erlangt, daß sie ihm nach dem
Tode seiner ersten Gemahlin im geheimen angetraut wurde. Sie gewann
auf ihn den größten Einfluß. Er arbeitete täglich in ihren Gemächern, hielt
hier seine Beratungen mit den Ministern ab und fragte sie in allen Angelegen-
heiten um Rat. Mit überlegener Klugheit und feinem Takte vermied sie in ihren
Antworten den Schein, als wolle sie sein Urteil beeinflussen, und ließ nie das
Gefühl in ihm aufkommen, er sei von ihr abhängig. Wie weit sie an den
unglücklichen Entschlüssen der späteren Jahre seiner Regierung schuld ist, läßt
sich nicht entscheiden; jedenfalls ging von ihr der bigotte Ton aus, der all¬
mählich am Hofe üblich wurde, und sicherlich hat sie mitgewirkt, das un¬
glückliche Schicksal ihrer ehemaligen Glaubensgenossen, der Hugenotten, zu
verschlimmern.
§ 15. Die kirchlichen Angelegenheiten. Ludwig XIV. unterwarf sich den
Lehren und Vorschriften der katholischen Kirche, forderte jedoch, daß das Anrecht
der Krone auf die Einkünfte der Bistümer während ihrer Erledigung erweitert
Streit mit werde. Als hierüber ein heftiger Streit mit der Kurie ausbrach, berief er ein
der Kurie, französisches Nationalkonzil. Unter den vier Beschlüssen, die hier über die
Freiheiten der gallikanischen Kirche gefaßt wurden, war der wichtigste,
daß die weltliche Gewalt von allen Eingriffen der geistlichen unabhängig
sei. Sie blieben indessen ohne Bedeutung, da der Papst ihnen nachdrück-
liehen Widerstand entgegensetzte und Ludwig nichts zu ihrer Durchführung zu
tun wagte.
Die Huge- Wie die weltlichen Angelegenheiten seiner Untertanen wollte Ludwig XIV.
notten- auch ihre religiösen aus königlicher Machtvollkommenheit regeln: alle Fran¬
zosen sollten das kirchliche Bekenntnis des Staatsoberhauptes teilen. Darum
entzog er den Hugenotten von Beginn seiner Regierung an die Duldung,
die sie bisher genossen hatten, gestattete vielmehr, daß man mit allen Mitteln
darauf hinwirkte, sie der katholischen Kirche wieder zuzuführen. Anfänglich
ging man durch Zurücksetzung im Zivil- und Militärdienst, Vertreibung aus
Paris, von Jahr zu Jahr verschärfte Bedrückungen und selbst militärische
Zwangsmittel sDragonaden) gegen sie vor. Schließlich hob der König,
namentlich unter dem Einflüsse seines Beichtvaters, des Jesuitenpaters La-
Aufhebung chaise, das Edikt von Nantes (1685) auf und raubte ihnen damit das
von Nantes ^er freien Religionsübung, das ihnen Heinrich IV. eingeräumt hatte.
D°"i685).eS Infolge jener Maßregel Ludwigs wanderten trotz der strengsten Verbote und
größten Schwierigkeiten Hunderttausende von Hugenotten (»Ttefugiösc) ins
Ausland und führten hier nicht nur dem Hasse, der sich allmählich gegen den
König angesammelt hatte, neue Nahrung zu, sondern verpflanzten auch die
berühmten französischen Industrien, wie die Leinen-, Seiden- und Gobelin-
Weberei, und schufen dadurch dem Gewerbe des Mutterlandes, auf dem bisher
zum großen Teil sein Wohlstand beruht hatte, einen gefährlichen Wettbewerb.