Rom als Weltmacht
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jeher nicht als eine Angelegenheit des Staates, sondern als Privat¬
sache betrachtet und behandelt, lag in den Händen griechischer
Sklaven, denen der vornehme Römer die Erziehung und Unter¬
weisung seiner Kinder anvertraute. Aus dem Einfluß dieser Lehrer
erklärte sich die Vorliebe, die Männer wie der jüngere Scipio,
Flamininus und Ämilius Paullus dem Griechentum entgegen¬
brachten. Selbst Kato, der starre Vertreter des Römertums, konnte Katos ver¬
sieh dem griechischen Einfluß nicht entziehen. Noch als Greis Kampf
eignete er sich die Sprache des besiegten Volkes an, und sein Haupt-
werk, die „Urgeschichte“ Italiens, die erste römische Geschichte
in lateinischer Prosa, entstand nach griechischen Vorbildern und
Quellen. Das Zeitalter der punischen Kriege beschrieb ein Grieche,
Poly bios aus Megalopolis, der Hausgenosse und Freund des Ämilius
Paullus und des jüngeren Scipio.
Mehr noch als die Prosa folgte die Dichtung griechischen Spuren. Einfluß
Nach den bescheidenen Anfängen des Livius Andronikus und Nä- erschenC 1
vius (§123) schrieb Ennius seine „Jahrbücher“ der Geschichte un^KuTst
Roms im Versmaße des Homer, zum Schaffen angeregt durch die
große Zeit. Der neuen attischen Komödie entlehnten die Lustspiel¬
dichter ihre Stoffe: der volkstümlich derbe Plautus und der früh
verstorbene Terenz. In gleicher Weise wie das Schauspiel ver¬
dankte Rom den Griechen die sonstigen Veranstaltungen öffentlicher
Lustbarkeit: Spiele, Wettkämpfe, Wagenrennen, Musik, Gesang und
Tanz. In Nachahmung griechischer Vorbilder entwickelte sich das
italische Kunstgewerbe. Das „ehrwürdigste aller römischen Denk¬
mäler“, das Erzbild der säugenden Wölfin auf dem Kapitol, trägt
die Kennzeichen altionischer Kunst. Der Tempel des Juppiter
Capitolinus war ein Bau im dorischen Stil.
Aber mit der Lebenslust und Schaffensfreude der Griechen zog Untergang
auch ihre Zweifelsucht in Rom ein, mit den orientalischen Gottheiten sehen Re-
der Aberglaube und die Unsittlichkeit. Der Glaube an eine durch die llgI0n
Götter begründete und von ihnen geschützte W eltordnung kam ins
Wanken. Die Gottesfurcht schwand unter dem Einfluß der
griechischen Philosophie. Aus Gründen des Staatswohles wurden die
griechischen Philosophen und Rhetoren ausgewiesen (161) und die
lateinischen Rhetorenschulen geschlossen (92), freilich ohne Erfolg.
Die einfache Lebensführung der guten alten Zeit und die abge¬
schlossene Eigenart des römischen Volkstums war unwiederbringlich
dahin.
Übersicht zu § 122—128: In der Blütezeit der Republik
unter der Herrschaft des Senats (266—133) erhob sich Rom zur
Weltmacht. Seine Eroberungen im Westen (264—201) brachten
durch den ersten punischen Krieg (264—241) Sizilien, 238 Sar¬
dinien und Korsika, 218 Oberitalien, durch den zweiten punischen
Krieg (218—201) Spanien zum Reiche. Die Eroberungskriege