Full text: Von 30 v. Chr. bis 1648 n. Chr. (Teil 4 für Unterprima)

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Der Verfall der universalen Gewalten 1254—1517 
durch schöne Einbände und trefflichen Bildschmuck empfahlen, wuchs 
fortgesetzt; daneben trugen Flugblätter, ja bald auch die ersten 
gelegentlich erscheinenden Zeitungen wissenswerte Nachrichten in 
die Massen. Besonders kam die neue Kunst der Reformation zu 
Hilfe; ohne sie hätten sich Luthers Lehren niemals so schnell und 
gründlich, wie es geschah, das ganze Volk erobern und dann ver¬ 
mittelst der Bibelübersetzungen, Postillen, Katechismen und Ge¬ 
sangbücher bei der neuen Erkenntnis dauernd festhalten können. 
§ 152. Der Humanismus in Deutschland. Einen kräftigen Bun¬ 
desgenossen fand in der Buchdruckerkunst auch die Bewegung des 
Humanismus, als sie sich um die Mitte des 15. Jahrhunderts von 
Italien her über Deutschland verbreitete. 
Charakter- und Lebensbedingungen des deutschen Humanismus 
waren jedoch erheblich andere als in Italien. Nicht an den fürst¬ 
lichen Höfen nämlich gedieh der Humanismus Deutschlands, sondern 
auf den Universitäten, wo er dem herrschenden Scholastizismus den 
Boden streitig machte. Dadurch aber bekam er auch gediegenere 
Grundlagen, als sie das Leben der italienischen Humanisten fand. 
Man hielt sidh fern von der in Italien geläufigen Absage an den christ¬ 
lichen Glauben und die gute Sitte und adelte die Studien, indem man 
sie nicht allein um ihrer selbst willen trieb, sondern auch für die All¬ 
gemeinheit nützlich zu machen suchte. Dabei verfolgten die einen 
unter den Humanisten mehr pädagogische Zwecke — und deshalb kam 
der deutsche Humanismus dem deutschen Bildungswesen sehr zu¬ 
gute — die anderen patriotische, wie sie z. B. durch Herausgabe der 
älteren deutschen Geschichtsquellen die Vaterlandsliebe zu pflegen 
trachteten. 
Die Hauptvertreter des deutschen Humanismus sind Reuchlin, 
Erasmus, Hutten und Melanchthon. 
Reuchlin Johannes Reuchlin, Lehrer an verschiedenen süddeutschen 
Universitäten und dazwischen lange in hohen juristischen Ämtern 
tätig, führte das Studium der hebräischen Sprache in den Humanis¬ 
mus ein. Berühmt ist Reuchlins Kampf mit den Dominikanern der 
scholastischen Kölner Universität. Der gesamte jüngere Humanismus 
nahm für Reuchlin Partei, und in den satirischen „Dunkelmänner¬ 
briefen“ (epistolae obscurorum virorum) schmiedeten seine bedeu¬ 
tendsten Vertreter schneidende Waffen wider das vielfach unwissende 
und sittenlose Mönchtum. 
Als glänzendsten Humanisten feierten die Zeitgenossen den Desi- 
Erasmus derius Erasmus von Rotterdam (t 1536), der sich nach längerem 
Auslandsaufenthalt in Basel niederließ. Als Mensch voller Fehler und 
wenig sympathisch, war er ein ungemein vielseitiger Gelehrter, an 
dem man vornehmlich auch die wunderbare Feinheit seines lateini¬ 
schen Stils pries. Pädagogisch maßgebend wurde er durch die Auf-
	        
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