§52.
Der erste Kreuzzug,
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des Königs von Frankreich Bruder*), Herzog Robert von der Nor-
mandie, Graf Raimund von Toulouse, Bohemuud von Tarent,
der Sohn Robert Gniskards, und dessen Neffe Tankred hervor. Ihre
größtenteils aus Lothringern, Franzosen und Normannen gebildeten Heere
vereinigten sich erst vor Konstantinopel. Nachdem sie hier dem Kaiser
für die zu erobernden Länder den Lehnseid geschworen hatten, wurden
sie nach Kleinasien übergesetzt. Unter harten Entbehrungen und schweren
Kämpfen erreichten sie Antiochia. Schon vorher hatte sich Balduin von
dem Hauptheere getrennt und war über den Euphrat nach Edessa ge-
zogen, wo er den ersten Kreuzfahrerstaat gründete. Antiochia fiel nach
achtmonatiger Belagerung durch Verrat; aber erst der Sieg über das
zum Entsatz heranrückende Heer des Emirs von Mosnl entschied über den
Besitz der Stadt. Bohemnnd blieb hier als Fürst zurück. Am 15. Juli
1099 eroberte endlich das stark gelichtete Kreuzfahrerheer Jerusalem;.Gott-
sried wurde zum „Beschützer des Heiligen Grabes" gewählt. Den Ver-
such des Sultans von Ägypten, Jerusalem zurückzuerobern, wies er bei
Askalon zurück. Nach seinem Tode wurde Balduin König von
Jerusalem.
Die Kreuzfahrerstaaten umfaßten einen schmalen Saum an der Die
Küste von Gaza bis zum Golf von Jskenderun. Der Jordan bildete die Kreuzfahrer-
Ostgrenze; zeitweilig dehnte sich das Königreich bis zum Golf von Akaba aus. en'
Die Bewohner bestanden aus griechischen Christen und den lateinisch-
christlichen Kreuzfahrern verschiedener Nationalität, ein schwer lenkbares Völker-
gemisch, dessen Mitglieder sich schließlich in der französischen Sprache ver-
ständigten. Mohammedaner verschwanden niemals ganz; im Libanon erhielt
sich die fanatische Sekte der Afsassinen.
In der Bevölkerung hatte zunächst das geistliche und das ritterliche Ele-
ment das Übergewicht. Da die eingewanderten Abendländer aber durch die
Wirkungen des ungewohnten Klimas und unaufhörliche Kämpfe rasch auf-
gerieben wurden, brauchten sie beständig Nachschub aus der Heimat. Es
entwickelte sich darum von den Küstenstädten aus ein lebhafter Verkehr nach
den italienischen und provenzalischen Häfen. Unter den Hafenplätzen blühte
besonders Akkon, das alte Ptolemais, wieder auf. Den Handelsverkehr
in diesen Küstenstädten beherrschten die italienischen Seestädte, die hier auch
eigene Niederlassungen gründeten.
Politisch zerfielen die eroberten Gebiete in das Königreich Jern-
salem, das Fürstentum Antiochia und die Grafschaften Tripolis
und Edessa. Die Macht des Königs über diese Fürsten war gering; zahl-
reiche größere oder kleinere Vasallen hatten ihren unbotmäßigen Trotz aus
der Heimat mitgebracht. Ebenso unabhängig hielten sich die Kirchenfürsten
von Jerusalem und Antiochia und die Niederlassungen der italienischen See-
städte. Eine Gesetzgebung, die Assises de Jerusalem, versuchte vergeblich
eine Zentralisation.
*) Der König selbst war wie derjenige von Deutschland im Bann, daher von der
Teilnahme am Kreuzzuge ausgeschlossen.
Pfeifer, Geschichte. V. C. 7