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Vier Defensivfeldzüge.
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Je länger sich der Krieg hinzog, desto verzweifelter gestaltete sich die
Lage des Preußischen Staates. Wenn sich die politische Stellung der Mächte
zueinander nicht änderte, so mußte sich schließlich seine Kraft erschöpfen. Das
Heer hatte viel von seiner Vortrefflichkeit eingebüßt, da die Monarchie nicht
Menschen genug besaß, die schweren Verluste zu ersetzen, mit denen die Siege
erkämpft worden waren; der Zuzug von Fremden hörte seit den Unglücks-
jähren auf. Oft mußte man Leute mit Gewalt anwerben, im Winter not¬
dürftig einexerzieren und schon im Sommer vor dem Feinde verwenden. Über-
Haupt nicht zu ersetzen war der Verlust an Offizieren. Der märkische und
pommersche Adel, aus dessen Söhnen sich das Offizierkorps hauptsächlich er-
gänzte, hatte schwer gelitten, ganze Familien waren ausgestorben. Die besten
Generale: Schwerin, Winterfeldt, Keith waren gefallen. Auch die Kriegs-
kosten aufzubringen, erwies sich für Preußen von Jahr zu Jahr schwieriger;
schon chatte sich der König zu einer Münzverschlechterung entschließen müssen.
Österreich litt bei weitem nicht in gleichem Maße. Die kaiserliche Armee
wurde sogar von Jahr zu Jahr besser, zumal seitdem sie in Laudon einen
Führer von ungewöhnlicher Tüchtigkeit besaß.
Fast den ganzen Sommer des Jahres 1761 hielt sich Friedrich in i76i.
dem Lager bei Bunzelwitz sin der Nähe von Schweidnitz) gegen eine Bunzeiwitz.
dreifach überlegene Armee der Österreicher und Russen. Als er nach
ihrem Abzüge seine Stellung wechselte, überraschte Laudon Schweidnitz. Schweidnitz.
Gleich darauf trat ein schon lange gesürchteter Wechsel im englischen
Ministerium ein. Von Georg III., der 1760 seinem Großvater Georg II.
in der Regierung gefolgt war, wurde Pitt entlassen; sein Nachfolger
kündigte dem Könige von Preußen den Subsidienvertrag. Als überdies
(im Dezember 1761) die Russen Kolberg eroberten und sich in Hinter- Kolberg,
pommern festsetzten, schien der Preußische Staat verloren zu sein. Fried-
rieh, der ein festes Lager bei Strehlen (in Schlesien) bezogen hatte, setzte
seine letzte Hoffnung auf die Hilfe der Türken und Tataren, mit denen
er ein Bündnis zu schließen gedachte*).
Da starb am 5. Januar 1762 Elisabeth von Rußland, und ihr 1762.
folgte ihr Neffe Peter III. aus dem Hause Holstein-Gottorp, Friedrichs Peter m.
glühendster Bewunderer. Ohne sich durch Englands preußenfeindliche
Bemühungen beirren zu lassen, schloß er sofort Frieden, ja sogar ein
Bündnis mit Friedrich, m dem er ihm Schlesien gewährleistete und eine
Hilfsarmee zur Verfügung stellte. Aber schon nach wenigen Monaten
wurde er durch eine Verschwörung beseitigt, und seine Gemahlin Katha-Catharinau,
rina II., eine Prinzessin aus dem Hause Anhalt-Zerbst, bestieg den d762*1796)-
Thron. Sie rief zwar die russischen Truppen zurück, erklärte indessen,
den Frieden halten zu wollen. Als der russische General Tschernitscheff
seine Abberufung aus Schlesien erhielt, bestimmte ihn Friedrich, sie noch
einige Tage zu verheimlichen, und erstürmte die feste Stellung seiner
Gegner bei Burkersdorf (unweit Schweidnitz), während die Ruffen, Burkersdorf,
in Schlachtlinie aufgestellt, wenigstens zum Scheine teilnahmen. Nach
*) In diese Zeit fällt der Versuch eines schleichen Edelmanns, sich der Person
des Königs zu bemächtigen und ihn den Feinden auszuliefern.