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Deutsche Geschichte im Mittelalter.
der Babenberger in Österreich, der Askanier, Wettiner, Wittelsbacher,
Przemysliden n. a. gewinnen an Macht und Bedeutung; der Streit der
Könige wird schließlich von Kämpfen des Auslandes abhängig.
Die Ostseeküste steht unter dänischer Herrschaft.
§ 59. Die Wcltftellnng des Papstes. Innozenz III. ist eine der
größten Herrschergestalten aller Zeiten; an weit umfassendem Blicke, Stärke
des Herrscherwillens, eindringender Schärfe des Verstandes, unermüdlicher,
planvoller, auf ein Ziel gerichteter Tätigkeit kommen ihm wenige gleich.
Lothar, Graf Segni, entstammte einem altlangobardischen, in der
Campagna begüterten Haufe; er hatte sich auf den Universitäten Bologna
und Paris juristisch und theologisch gebildet und war nach seiner Rückkehr
nach Rom sehr jung zum Kardinal ernannt worden. Er war schon lange
die treibende Kraft an der Kurie, als er mit 37 Jahren zum Papst ge-
wählt wurde.
Innerhalb der Kirche stellte er die Zentralisation der Ver-
waltung her, die es den Päpsten ermöglichte, in alle bestehenden Ver-
Hältnisse regelnd und ordnend einzugreifen. Neben dieser unbeschränkten
Herrschaft des Papstes in der Kirche hat Innozenz ihre theoretisch längst
geforderte völlige Unabhängigkeit von der weltlichen Macht und
ihre höhere Stellung dem Staate gegenüber auch praktisch zur
Geltung gebracht und durchgeführt. Nicht neben, sondern über die
Fürsten ist der Papst gesetzt, das weltliche Schwert hat das geistliche zu
schützen, daraus folgt ihm, daß es die Pflicht hat, die Befehle der geist-
liehen Gewalt auszuführen.
Das größte Hindernis für die Verwirklichung dieser Oberherrschaft sah
Innozenz in der staufischen Macht, wie sie Friedrich I. und Heinrich VI.
geschaffen hatten. Die Vereinigung von Deutschland, Ober- und Unteritalien
in einer Hand stellte eine Macht dar, der keine andre zu vergleichen war,
sie umklammerte den Kirchenstaat und bedrohte die Freiheit und Selbständig-
feit der Kirche. Innozenz war entschlossen, diese Vereinigung zu hindern.
Mit der raschen, sicheren Entschlossenheit eines großen Staatsmannes be-
nutzte er die Gunst der Umstände, die Wirren, die nach Heinrichs VI. Tode
in Sizilien und Deutschland ausbrachen, den starken Wunsch weiter
Kreise der Bevölkerung Italiens nach nationaler Unabhängigkeit
und ihre damit zusammenhängende Feindseligkeit gegen die deutsche Herr-
schast für seine Zwecke und machte sich zum Herrn der Lage. Sizilien
blieb von Deutschland getrennt, Konstanze, Heinrichs VI. Witwe, nahm das
Königreich von dem päpstlichen Stuhle zu Lehen und übertrug Innozenz
die Vormundschaft über ihren Sohn Friedrich. Innozenz forderte Mittel-
italien als alten Besitz der Kirche zurück. Der Bürgerkrieg tu
Deutschland hinderte jede Entfaltung der königlichen Gewalt und ihr Ein-
greifen in Italien.
Auch in den übrigen Staaten Europas brachte Innozenz die Stellung
eines Oberherrn zur Geltung, von den Königen von Portugal, Ära-
gonien und von England wurde sie durch die Lehnshuldigung förm-
lich anerkannt. Diese Jahre waren die glänzendste Zeit des Papsttums,
Innozenz war der Herr der Christenheit.