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Aus der Geschichte der Neuzeit.
sagten dem Kaiser den Gehorsam auf und vertrieben seine Truppen. Dem
Nachfolger des Kaisers Matthias, Ferdinand von Steiermark, ver-
weigerten sie die Anerkennung. Außer Böhmen waren Mähren und
Schlesien im Aufstand; die österreichische Herrschaft in Ungarn bedrohten
die Türken, noch mehr Bethlen Gabor, der unternehmungslustige Fürst
von Siebenbürgen. Matthias Thurn bedrohte vorübergehend sogar Wien,
und die Gegner im Reiche fürchteten von Ferdinand ein gleiches Vorgehn
wie in Steiermark, wo er den Protestantismus auszurotten versucht hatte.
Nur ein ernstlicher Gegenbewerber um die Kaiserkrone fehlte noch. Wäh¬
rend Ferdinand in Frankfurt zum Kaiser gewählt wurde, übertrugen die
Böhmen dem Haupt der protestantischen Union, dem jungen reformierten
Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, der mit Elisabeth, der Tochter
Jakobs I., vermählt war, die Krone, in der Hoffnung, daß England und
die Union ihn unterstützen würden. Hierin täuschten sie sich. Aber Fried-
rieh entfremdete sich auch unbesonnenerweise die Katholiken und Lutheraner
in Böhmen durch Eingreifen in ihren Gottesdienst, wie er auch den Grafen
Matthias Thurn durch Zurücksetzung verletzte. Daher zogen sich die
meisten böhmischen Großen, als es zur Entscheidung auf dem Kriegsfelde
kam, von ihm zurück. Bereits am 8. November 1620 wurde Friedrichs
Heer innerhalb einer einzigen Stunde, schneller als er es selber von Prag
aus erreichen konnte, in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag
völlig geschlagen, und damit fand das Königtum des „Winterkönigs",
wie man ihn im Spott nannte, ein Ende. Ferdinand zerriß mit eigner
Hand den Majestätsbrief, ließ 27 Häupter des Aufstandes hinrichten,
zog ihre Güter ein nnd stellte, wie in seinen übrigen Landen, den katho-
tischen Gottesdienst als den allein geltenden wieder her.
Ferdinand IL hat darauf den Krieg ins Reich hinübergespielt. Er
hatte seine Erfolge in Böhmen mit Hilfe der Liga erfochten und Maxi-
milian von Bayern als Lohn dafür alle pfälzischen Länder, die er erobern
würde, zugesagt, deshalb verhängte er 1621 die Acht über Friedrich V.
und sprach ihm die Kurwürde ab. In den Pfälzer Krieg griffen die
Spanier ein, sie halfen Tilly*), dem Feldherrn des ligistischen Heeres,
die Pfalz besetzen.
*) Johann Tserklaes von Tilly (geb. 1559 auf Schloß Tilly bei Gemblours
in Belgien, gest. 1632 zu Ingolstadt) übernahm nach längeren Diensten im lothringischen
und österreichischen Heer 1610 die Führung des bayrischen. Sein Äußeres war ab-
schreckend: hagere Gestalt, graues borstiges Haar über der gerunzelten Stirn, hohle
Wangen, lange Nase über dem starken Knebelbart, spitz vorstehendes Kinn. Immer ernst
und pflichtbewußt, war er einer der ehrenwertesten Feldherrn; streng katholisch mit
asketischen Lebensgewohnheiten; ein „Mönch im Gewände des Feldherrn", war er stets
nüchtern und enthaltsam. „Dem eigenen Körper war er strenge, den Soldaten ließ er
vieles passieren." Als .alter Korporal", wie ihn Gustav Adolf nannte, war er nichts
als der General, der den ihm vorgeschriebenen Anweisungen gegenüber keinen eigenen
Willen hatte. Politischen Ehrgeiz, wie Wallenstein, kannte er nicht. Titel und Würden
verschmähte er; uneigennützig hat er nur ein kleines Vermögen hinterlassen, das er seinen
Offizieren vermachte.