87. Dürer, Johannes und Petrus. 88. Paulus und Markus. 1526.
Schon auf seiner Wanderschaft, 1494, ehe er sich in seiner Vaterstadt Nürnberg nieder-
ließ, hatte Dürer Venedig besucht; bei seinem zweiten Aufenthalt schloß er Freundschaft mit
Giovanni Bellini (77). Für seine Kunst war diese Berührung mit der großen italienischen Malerei
höchst segensreich. Sie half ihm das kleinbürgerlich Beschränkte, das gotisch Verschnörkelte
überwinden, das ihm anhaftete, öffnete sein bisher nur für das Charakteristische und Individuelle
geschärftes Auge nun auch dem typisch Schönen und gab seinem Geiste das Vorbild klarer
Raumdisposition und monumentaler Größe. Ohne diese Einflüsse wäre ein Werk wie das
Allerheiligenbild, wohl richtiger „Anbetung der Dreifaltigkeit" genannt, undenkbar. Seraphim,
Cherubim, Heilige und Selige, letztere nach Ständen gegliedert, umgeben in vier sich erweiternden
Kreisen anbetend die göttlichen Personen. Maria steht unter den Heiligen nur an bevorzugter Stelle.
Wer ist sonst noch kenntlich? Ganz unten im Vordergrunde der Landschaft der Meister selbst in
pelzverbrämter Schaube, eine Jnschrifttafel haltend. — Ein Vermächtnis und ein Glaubensbe-
kenntnis zugleich sind die Vier Apostel, die Dürer 1526, zwei Jahre vor seinem Tode, dem Rat seiner
Vaterstadt verehrte, auch die Vier Temperamente genannt, an Monumentalität der Auffassung,
Schärfe der Charakterisierung, Großzügigkeit der Faltengebung und Leuchtkraft der Farbe unerreicht.
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