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Die neueste Zeit.
Eröffnung des ersten hier abgehaltenen Parlaments das Werk seines
Lebens, die Einigung Italiens, für vollendet. Die Unabhängigkeit des
Papsttums wurde durch das „Garantiegesetz" gesichert.
Schwieriger war es, die innere Ordnung herzustellen. Die glück-
liche Einigung des Landes hatte dem Lande eine große Schuldenlast auf-
geladen, und erst vor kurzem ist es gelungen, die Finanzen in Ordnung
zu bringen.
Die Beziehungen zu Frankreich gestalteten sich ungünstig. Als 1881
die Republik das Gebiet von Tunis besetzte, das Italien zu seiner Jnter-
essensphäre rechnete, näherte sich die Regierung der deutschen und der
österreichischen und schloß mit ihnen 1883 ein Bündnis. Frankreichs Kün-
digung des Handelsvertrags schlug dem Handel Italiens schwere Wunden.
1885 besetzte Italien den Hafen Massaua am Roten Meere, aber
erst nach großen Opfern gelang es, die Kolonie Eritrea hier einzu-
richten. Als es 1896 Abessinien angriff, erlitten seine Truppen mehrere sehr
schwere Niederlagen, und es mußte sich mit dem Küstengebiete begnügen.
Da sich die Bevölkerung trotz starker Auswanderung sehr vermehrt
und im Lande nicht genügend Arbeit findet, ist Unzufriedenheit weitver-
breitet; sie hat sich wiederholt, zumal auf Sizilien, in Unruhen geäußert.
Umberto (1878—1900), der Nachfolger Viktor Emanuels, erlag in
Monza dem Attentat eines Anarchisten. Ihm folgte ViktorEmannelIII.;
unter seiner Regierung bewegt sich das Land in aufsteigender Entwicklung.
§ 135. Frankreich. In Frankreich hat sich die Republik, die
am 1. März 1871 durch einen Beschluß der Nationalversammlung zu
Bordeaux endgültig als die Regierungsform Frankreichs angenommen
worden war, bis jetzt erhalten, und das reiche Land hat die Leiden des
Krieges schnell überwunden. Der Wunsch, an Deutschland Rache zu
nehmen, ist noch nicht erloschen. Die Republik ist zu einer der größten
Militärmächte geworden und besitzt eine starke Flotte.
Seit 1880 etwa hat Frankreich angefangen, sich ein Kolonial-
reich zu schaffen. Es verstärkte seine Stellung in Nordafrika durch
die Besitzergreifung von Tunis und brachte Westafrika nördlich vom
Kongo zum größten Teile an sich, erwarb nicht ohne große Opfer Tong-
king und Annam in Hinterindien (1884) und Madagaskar (1896).
Seine Stellung im Mittelmeer ist durch einen Vertrag mit England geregelt.
§ 136. England im 19. Jahrhundert. Nach der napoleonischen
Zeit war England der reichste Staat in Europa, dessen Industrie und
Handel die Märkte beherrschte.
Aus seiner inneren Entwicklung mögen folgende Punkte hervor-
gehoben werden:
1801 kam die Union zwischen Großbritannien uud Irland zustande;
doch blieb ein scharfer Gegensatz zwischen der irischen Bevölkerung und den
herrschenden Engländern bestehen.