§ 4. Hessen als Großherzogtum.
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Besondere Verdienste erwarb er sich durch die Abschaffung aller
Staatsfronen, die Aufhebung der Leibeigenschaft und das Gesetz über die
Ablösbarkeit der Zehnten, vor allem aber durch die Verfassung, mit
der er am 21. Dezember 1820 sein Volk beschenkte.
Von hoher Bedeutung war auch der durch die Vermittelung des
Ministers du Thil mit Preußen 1828 abgeschlossene preußisch-hessische
Zollverein.
Durch ihn wurde nicht nur die wirtschaftliche Lage Hessens gehoben,
sondern auch die deutschen Einheitsbestrebungen, wenigstens auf wirtschaft¬
lichem Gebiet, gefördert und der preußisch-deutsche Zollverein vorbereitet.
Auch in anderer Hinsicht war Ludwig I. auf die Wohlfahrt seines
Landes und die Verschönerung seiner Hauptstadt eifrig bedacht. Er war
ein Verehrer von Kunst und Wissenschaft und liebte besonders die Oper.
In Darmstadt ließ er ein neues Theater bauen, das Museum anlegen und
die Hofbibliothek vergrößern. In Friedberg und Bensheim wurden Lehrer¬
seminarien eingerichtet. Am 6. April 1830 starb Ludwig I. nach 40 jähriger
segensreicher Regierung. Im Jahre 1844 errichtete ihm „sein dankbares Volk"
die hochragende, 43 m hohe Ludwigssäule mit dem 7 m hohen Standbild.
Ludwig II. (1830—1848) setzte das Werk seines Vaters in dessen Sinne
fort und erwarb sich Verdienste um die Hebung des Schulwesens, die Ver¬
besserung der Verwaltung und des Rechtswesens und die Pflege der Land¬
wirtschaft und des Gewerbes. Während seiner Regierung wurde auch die Main-
Neckarbahn eröffnet (1846) und der Bau der Main-Weserbahn begonnen.
Beim Beginn der Märzunruhen des Jahres 1848 ernannte er seinen
ältesten Sohn zum Mitregenten, starb aber am 16. Juni desselben Jahres.
Ludwig III. (1848—1877) verstand es, durch liberale Maßregeln
(Heinrich v. Gagern Minister) die revolutionären Strömungen in seinem
Lande einzudämmen. Hessische Truppen halsen auch die Ausstände in
Baden und der Rheinpfalz 1849,50 unterdrücken.
Im Kriege 1866 stand der Großherzog auf der Seite Österreichs. Im
Friedensschlüsse verlor daher Hessen die Landgrasschaft Hefsen-Hom-
bnrg, die ihm kurz vorher zugefallen war, das sog. hessische Hinterland
mit den Kreisen Biedenkopf, Battenberg, Vöhl und der Herrschaft Itter, den
nördlichen Teil des Kreises Gießen, Rödelheim und die Hälfte von
Niedernrfel. Dagegen erhielt es einige kleinere Gebiete, vor allem das jetzt
so blühende Bad Nauheim. Die Provinz Oberhessen gehörte von nun an
zum Norddeutschen Bunde, die hessischen Truppen wurden durch die hessisch¬
preußische Militärkonvention (1867) für den Fall eines Verteidigungskrieges
unter den Oberbefehl des Königs von Preußen gestellt.
Die Großherzoglich hessische (25.) Division kommandierte Prinz Ludwig,
der Neffe des Großherzogs. Unter feiner Führung nahm sie ruhmvollen
Anteil an dem Kriege 1870/71 und zeichnete sich aus in den Schlachten
und Gefechten in der Umgebung von Metz, bei Vionville, Mars la Tour,
Gravelotte, St. Privat, ferner bei Noiffeville, Orleans, Beangenzy-Cravant,
Montlivant und durch die Erstürmung von Chambord.