78 Dritte Periode. Die Zeit der Umwälzungen.
§ 96. Wilhelm II.
V prtnj Wilhelm wurde als ältester Sohn des damaligen Krön-
1859. Prinzen Friedrich Wilhelm am 27. Januar 1859 in Berlin geboren.
Als er 15 Jahre alt war, brachten die Eltern ihn und seinen Bruder
Heiurich auf das Gymnasium in Kassel, wo die Prinzen fern
vom Geräusch des Hoflebens gemeinschaftlich mit den Söhnen des Volkes
ihre Schulbildung vollendeten. Nach bestandener Reifeprüfung bezog
Prinz Wilhelm auf zwei Jahre die Universität Bon n, die früher auch
sein Vater besucht hatte, und widmete sich dann als Offizier dem
Heeresdienst, für deu er besondere Vorliebe zeigte. Zugleich ließ er
sich, um sich auf seinen künftigen Beruf gründlich vorzubereiten, in
die verschiedenen Zweige der Landesverwaltung einführen.
2. Auguste Viktoria, Tochter des Herzogs Friedrich zu Schleswig-
22. Holstein - Sonderburg - Augustenburg (§ 93, 4), wurde geboren am
1858 22- Oktober 1858 auf dem Gute Dölzig (Regierungsbezirk Frankfurt).
'Seit ihrem elften Jahre lebte sie auf dem schleichen Gute Primkenan
und wurde hier, in ländlicher Abgeschiedenheit, im Kreise ihrer Ge-
1881 freister 0011 ihren Eltern aufs sorgfältigste erzogen. 1881 vermählte
' sie sich mit dem Prinzen Wilhelm. Durch Herzensgüte, Einfachheit,
häuslichen und hausmütterlichen Sinn, durch Frömmigkeit und Wohl-
tätigkeit erwarb sie sich rasch die Liebe des Volkes.
3. Kaiser und Reich. Gleich nach seinem Regierungsantritt zeigte
der noch wenig bekannte Kaiser bei zahlreichen Besuchen an deutschen und
auswärtigen Fürstenhöfen, was von ihm zu erwarten war: Festhalten
am Frieden, aber auch au deu von seinem Großvater erworbenen
Gütern. Jede Gelegenheit benutzte er, um mit der Bevölkerung in
Berührung zu treten und persönlich überzeugte Mitarbeiter zu gewinnen
zur Erreichung der Ziele, die er sich gesteckt hat63). In Dingen, die
ihn besonders beschäftigten, ließ er Konferenzen von Sachverständigen
zusammentreten und beteiligte sich an ihren Beratungen. So geschah
es in der im Ansang seiner Regierung von ihm berufeneu europäischen
Arbeiterschutzkouserenz in Berlin, die Anregung zu manchen
wohltätigen Einrichtungen gab. In vielseitiger Tätigkeit wendet unser
Kaiser alleu Zweigen des öffentlichen Lebens fein Interesse zu, der
Volkswirtschaft, dem Heere und der Flotte, der Kirche, der Schule, der
Kunst, der Wissenschaft, dem Sport. Dabei bewältigt er Tag für Tag,
auch auf Reisen, die große Arbeitslast der laufenden Geschäfte und gibt
in seinem Heim dem Volke ein Vorbild echten deutschen Familienlebens.
Ans gesetzgeberischem Gebiete stehen im Vordergrunde die Beendigung
des Gesetzes über dieJnvaliditäts- und Altersversicherung
(eingeführt 1891), das Bürgerliche Gesetzbuch (eingeführt 1900),