Full text: Die Zeit der Umwälzungen (H. 4)

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I. Die Zeit der Französischen Revolution und Napoleons I. 
§ 108. 
1806. Napoleon seine herausfordernde Haltung fortsetzte und sich anschickte, 
Hannover an England zurückzugeben, erklärte Friedrich Wilhelm den Krieg. 
Napoleon rückte mit seinen noch in Süddeutschland stehenden Truppen 
in Thüringen ein, schlug bei Saalfeld, wo der Prinz Louis Fer- 
d in and, des Königs Vetter, fiel, die preußische Vorhut zurück und be- 
siegte im Oktober in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt (zum 
Teil mit Rheinbundtruppen) die Hauptmacht der Preußen und Sachsen 
unter dem greisen Herzog Ferdinand von Braunschweig, der tödlich ver¬ 
wundet in Ottensen starb. 
Die Niederlage hatte die schlimmsten Folgen für Preußen. Die 
Königsfamilie flüchtete nach Königsberg. Der Kurfürst von Sachsen 
trat dem Rheinbunde bei, wofür er von Napoleon zum König ernannt 
wurde, und die kleineren norddeutschen Fürsten folgten seinem Beispiel. 
Die meisten Festungen fielen den Franzosen in die Hände; nur wenige 
hielten sich, wie Graudenz unter Courbiere*) und Kolberg, das durch 
den Kommandanten Gneisenau mit kräftiger Beihilfe der Bürgerschaft 
unter Nettelbeck verteidigt wurde, während Leutnant Schill mit seiner 
Freischar Ausfälle und Streifzüge machte. Napoleon schaltete übermütig 
in Berlin (Siegesgöttin des Brandenburger Tores; Degen Friedrichs des 
Großen; Schmähschriften gegen die Königin Luise) und ordnete die Fest- 
landsperre an, wodurch aller Handel und Verkehr mit England ver- 
boten wurde. Die Königin Luise erkrankte am Typhus und mußte, da 
1807. die Franzosen heranrückten, Anfang Januar über die Kurische Nehrung 
nach Memel flüchten, begleitet von ihrem Leibarzte Hufeland. 
Nun kam Zar Alexander mit russischer Hilfe. Die vereinigten 
Preußen und Russen lieferten den Franzosen die unentschiedene Schlacht 
bei Preußisch-Eylau. Bei Napoleon war der Eindruck des Mißerfolges 
so groß, daß er dem Könige von Preußen Friedensvorschläge machte; 
aber dieser wies sie, um sich nicht von seinem russischen Verbündeten zu 
trennen, zurück. Bei Friedland wurden darauf die Verbündeten von 
Napoleon entscheidend geschlagen. Vor dem Abschluß des Friedens unter- 
nahm Luise den schweren Schritt, mit Napoleon in Tilsit persönlich über 
die Friedensbedingungen zu sprechen; vergebens: nachdem sich Alexander 
für ein Bündnis mit Napoleon hatte gewinnen lassen, mußte Preußen 
im Tilsiter Frieden 1. die Länder westlich der Elbe als Königreich 
Westfalen an Napoleons Bruder Jeröme überlassen; 2. die meisten ehemals 
polnischen Länder als Herzogtum Warschau an Sachsen abtreten; 3. unge- 
heute Kriegskosten bezahlen und, bis sie bezahlt waren, eine französische 
Besatzung im Lande behalten.1) 
*) Als ihn die Feinde zur Übergabe aufforderten und bemerkten, es gebe keinen 
König von Preußen mehr, erwiderte er: „Wohlan, so bin ich König von Graudenz." 
x) Die fortlaufenden Zahlen im Texte beziehen sich auf die Quellensätze im 
Anhang.
	        
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