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III. Die Zeit des Deutschen Reiches.
§ 181.
unternahm, ging das stolze Fahrzeug, das bei Echterdingen in der Nähe
von Stuttgart gelandet war, bei einem plötzlich ausbrechenden orkan-
artigen Gewittersturm in Flammen auf. Das deutsche Volk aber brachte
eine reiche „Zeppelin-Spende" zusammen, die dem Grafen großartige
Anlagen zum Bau von Luftschiffen ermöglichte. Mit ihm wetteifern in
der Konstruktion lenkbarer Luftschiffe am erfolgreichsten die deutschen
Majore Groß und Parseval.
§ 131. Das Leben der Frauen im neunzehnten Jahrhundert.
Als die Eigenproduktion blühte (§ 115, 1) und noch keine Maschine
der Näherin die Arbeit erleichterte, gab es für die Hausfrau und die
Töchter viel mehr in der Haushaltung zu tun als jetzt, und nur selteu
konnten sie aus dem engen Kreise, an den ihre Tätigkeit gebunden war,
einen tieferen Blick in das Getriebe der Welt tun. Die Umgestaltung
des wirtschaftlichen Volkslebens aber rief auch im Leben der Frauen
einen Umschwung hervor. Die Maschinen haben die Arbeit nicht ver-
ringert, sie haben ihr nur eine andere Richtung gegeben, auch der Arbeit
der Frauen. Die im Hause unnötig gewordenen Arbeitskräfte mußten
sich ein anderes Feld suchen, teils aus eigenem Tätigkeitsdrang, teils
weil die gesteigerten Lebensbedürfnisse viele Unverheiratete veranlaßten,
einen Erwerbsberuf zu ergreifen. So entstand um 1850 die „Frauen¬
frage". Die „Frauenbewegung" ging in ihren gesunden Richtungen
darauf aus, dem weiblichen Geschlecht eine sorgfältigere Ausbildung und
einen größeren Wirkungskreis im Erwerbsleben zu verschaffen. Viele
auf Erwerb angewiesene junge Mädchen finden seit dieser Zeit als Fabrik-
arbeiterinnen ihr Auskommen; einem Mißbrauch ihrer Kraft wehrte die
soziale Gesetzgebung. Andere sehen wir in der Landwirtschaft, im Handels-
gewerbe und in anderen Berufsarten ihr Brot verdienen.
Rasch wuchs die Zahl und Bedeutung der höheren Schulen für
das weibliche Geschlecht, der Fachschulen (Seminare, Handelsschulen,
Gewerbeschulen u. a.) und derer, die eine erweiterte allgemeine Bildung
erstrebten. Aus diesen ist die heutige Höhere Mädchenschule hervor-
gegangen. Seitdem den Frauen das Universitätsstudium offensteht,
sind sie auch in gelehrten Berufen tätig. Groß ist die Zahl der Dichte-
rinnen und Schriftstellerinnen, und manche von ihnen sind weltbekannt.
Die Vereinstätigkeit der Frauen hat beständig zugenommen. Fort-
büdungs- und Erwerbsvereine wurden gebildet; der erste war der aus den
sechziger Jahren stammende Berliner Lette-Verein (§ 126, 6,b). Noch viele
andere Frauenvereine mit verschiedenen Zielen sind in fast allen Kultur-
ftaaten entstanden. Stark vertreten sind die Arbeiterinnenvereine. Schon vor
der staatlichen Einigung Deutschlands bildete sich der Allgemeine deutsche
Frauenverein und in den neunziger Jahren der Bund deutscher Frauen-
vereine, der dem Internationalen Bund der Frauenvereine angehört.