Full text: Ausgewählte Abschnitte aus Quellenschriften und hervorragenden Geschichtswerken nebst einer Einleitung über Geschichtsquellen (H. 5)

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3. Die Blütezeit der griechischen Kultur. 
der Heroensage, den man Satyrdrama nennt, weil darin die Chorsänger als Satyren, 
die lustigen Begleiter des Dionysns, auftreten. Dadurch, daß Äschylus einen zweiten 
Schauspieler einführte und so einen Dialog ohne Zuhilfenahme der Vortänzer er- 
möglichte, wurde er der eigentliche Schöpfer der Tragödie. Auch eine Reihe wich- 
tiger Einrichtungen der szenischen Kunst geht auf ihn zurück. Er gab den Schau- 
fpielern Masken uud lange, bis auf die Füße reichende Gewänder, und damit das 
Riesenmaß der Leiber hoch über Menschliches hinausgehe, stelzenartige Schuhe und 
einen Haaraussatz. Wichtiger ist es, daß er seinen Stücken einen hohen innern Gehalt 
verlieh. Er durchgeistigte die alten Mythen und machte die Götter zu ehrsurcht- 
gebietenden, sittlichen Mächten, weshalb ntcrn ihn auch das größte theologische Genie 
der Griechen genannt hat. Von seinen Tragödien sind sieben erhalten: die Perser, 
Prometheus, die Sieben gegen Theben, die Schutzflehenden, Agamemnon, die 
Choephoren (die Jungfrauen, welche die Totenopfer darbringen) und die Eumeuiden. 
Die „Perser" schildern den Eindruck, welchen die Niederlage der Barbaren bei Sa- 
lamis am Königshofe in Sufa hervorruft. Die Schlacht vom griechischen Stand- 
punkte darzustellen, hinderte der Charakter des Trauerspiels. Dennoch erkennt 
nmn des Dichters Nationalstolz, uud seine Worte sind von um so größerer Wirkung, 
als sie den Feinden in den Mund gelegt werden. „Prometheus" behandelt die Strafe, 
die den Dianen trifft, weil er den Menschen gegen den Willen des Zeus das Feuer 
gebracht hat. Als er, statt sich zu demütigen, dein Götterboten, der ihm noch schlim- 
mere Qualen androhte, mit verwegenem Trotze antwortete, da versinkt er samt dem 
Felsen, an den ihn Hephästns geschmiedet, unter Donner und Blitz in den Abgrund. 
Die „Sieben gegen Theben" haben die Feindschaft der von ihrem Vater Odipus 
verfluchten Brüder Eteokles uud Polynikes zum Gegenstande. Eteokles hat feinen 
Bruder aus Theben vertrieben. Dieser findet gastliche Aufnahme in Argos und 
zieht mit sechs andern Helden gegen seine Vaterstadt. Der Angriff wird aber ab- 
geschlagen, die Brüder durchbohren sich gegenseitig. „Tie Schutzflehenden" sind das 
inhaltlich unbedeutendste Drama. Danaos flieht mit seinen 50 Töchtern, die sein 
Bruder Ägyptus für seine 50 Söhne zur Ehe begehrt, nach Argos, wo er Sicherheit 
vor den Nachstellungen seiner Verwandten erlangt. Die drei übrigen Stücke bilden 
zusammen eine Einheit (Trilogie), die einzige, die auf uns gekommen ist. Man nennt 
sie neuerdings Orestie. Sie ist der Schwanengesang des Dichters, da sie kurz vor 
feinem Tode (456) zur Aufführung gelangt. Eben ist Agamemnon siegreich von Troja 
zurückgekehrt, als ihn auf Anstiften seiner Gattin Klytämnestra deren Buhle Ägisth 
ermordet. Des Königs junger Sohn Orest wird von seiner ältern Schwester bei einem 
Oheim untergebracht. Zum Jüngling herangereift, rächt er auf Geheiß des Orakels 
den Frevel und erschlägt nicht nur Ägisth, sondern auch die eigene Mutler. Ob der 
unseligen Tat von Gewissensbissen gefoltert, flieht er dann nach Delphi, um hier 
Entsühnung und Ruhe zu suchen. Apollo rät ihm, sich an Athene zu wenden. Am 
Altare der Pallas erscheinen auch die Eumeuiden und klagen ihn des Muttermordes 
an. Athene bildet aus den Edelsten des Volkes den Gerichtshof auf dem Areshügel 
und überträgt ihm die Entscheidung. Mit Stimmengleichheit sprechen die Richter 
Orest frei. Die Orestie ist das Erhabenste, was Äschylus geschaffen. Besonders der 
dritte Teil, die Enmeniden, zeichnet sich durch markige Sprache und tiefernste Auf- 
faffung aus. In ihnen wandelt der Dichter auf der Menschheit Höhen, und das 
Sittengemälde, das er entrollt, ist geradezu von erschütternder Wirkung. Bald nach 
der Aufführung begab sich Äschylus, wir wissen nicht genau weshalb, nach Sizilien, 
wo er auch schon früher eine Zeitlang geweilt hatte. Hochgeehrt starb er zu Gelq (456),
	        
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