Full text: Abriß der Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

106 Geschichte der neuesten Zeit. Von 1789 bis 1815. 
an (in welcher die Farben der Stadt Paris mit der weißen des Königs vereint 
wurden). Sein jüngerer Bruder, Karl, Graf von Artois, verließ schon damals 
mit mehreren Adligen das Reich; so begann die Emigration. Im Übrigen 
Frankreich ahmten die Städte die eigenmächtige Bewaffnung und Einsetzung 
von Stadtbehörden nach; die Bauern stürmten die Schlösser der Gutsherren. 
Die Nationalversammlung, die gerade jetzt über die Menschenrechte beneth 
4. Aug. beschloß nun Aufhebung der gutsherrlichen Lasten (4. Aug. Nachts). 
Auch bei Feststellung der Verfassung wurden bald darauf die alten Vorrechte 
beseitigt; die Gesetzgebung sollte Einer Kammer zustehen; die Einsage (Veto) 
des Königs gegen ein Gesetz nur 4 Jahre gelten. — Der Parteigeist steigerte 
sich immer mehr, und als der König den treuen Truppen ein Fest gegeben hatte, 
erhob sich Paris zu einem zweiten großen Volksaufstande (Weiber voran), 
6. Oct. durch welchen der König von Versailles nach Paris verpflanzt wurde (5 und 6 
Oct.). Alsbald mußte ihm die Versammlung an diesen Heerd der Ruf- 
reguug folgen. , . ... , 
Die Nationalgarde verhütete indeß lange Zeit neue Tumulte, und die nach- 
sten Beschlüsse der Nationalversammlung über die Verfassung regten die Leiden- 
schaft nicht sehr auf. Frankreich wurde in 83 Departements (statt der Provtn- 
22. Dec. zen) eingeteilt (22.Dec.). Obwohl aber in den Menschenrechten der Grund- 
atz allgemeiner Gleichheit ausgesprochen war, so erkannte man doch die 
Notwendigkeit einer Einteilung der Staatsbürger in „active und „passive 
an Das Wahlrecht wurde an eine Jahressteuer von 3 Francs geknüpft, und 
die Urwähler hatten nur Wahlmänner (aus den Bürgern von einem gewis¬ 
sen selbständigen Einkommen) zu ernennen. Auch bei Einführung der Jury 
1790 (April 1790) wurde eine Beschränkung derselben (ans Crimmalfälle) angemes- 
April sen gefunden. Dem König nahm man (Juni) die Domänen, gab ihm aber 
ein Jahreseinkommen (Civilliste) von 25 Mill. Francs. Der Konig ertrug 
dieft ruhig. Die Versammlung hatte sich indeß jetzt immer bestimmter m P ar- 
teien getrennt, die, damals zuerst, nach ihren Plätzen die Rechte und Linke 
genannt wurden. Jene, die für das Herkömmliche kämpfte zerfiel^wieder m 
Royalisten (äußerste Rechte) und Monarchisten; auf der Linken saßen Man¬ 
ner des Fortschritts, die konstitutionellen, von denen sich erst nach und nach die 
äußerste Linke, der Berg (la Montagne) oder die Jakobiner trennten; — auf 
der Spitze des Berges saß Robespierre. Dm meisten Einfluß Übten noch 
die zwischen den Parteien stehenden Staatsmänner Mirabeau und Sieyes. 
— Als die Finanzverhältnisse große Verlegenheit herbeiführten, hatte man zuers 
durch eine Einkommensteuer geholfen (Sept. 1789); dann beschoß man, Em- 
liehung von Kirchengütern und Verkauf dieser wie der Domänen (April 1790) 
da diese aber wegen der Unsicherheit der Zeit nicht so bald Kaufer fanden, wurde 
ein Papiergeld eingeführt, die nachher fo berüchtigten Assignaten, deren Werth 
bei übermäßiger Vermehrung immer mehr sank. 
Bald folgten neue Beschlüsse über die Standesvorrechte, und diese 
erzeugten furchtbare Aufregung. Die zur würdigen Feier des Bastillefestes decre- 
tirte Aufhebung aller Adelstitel (Wappen u. f. w.) verletzte die französische 
Eitelkeit; als der Geistlichkeit statt der Kirchengüter durch die „Civil-Con-
	        
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