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Die Zeit der karolingischen, sächsischen imb fränkischen Kaiser.
4. Aachen. Seit der Mitte der achtziger Jahre, als in dem bewegten Leben
des Königs nach dem Siege über die Sachsen etwas mehr Ruhe eingetreten
war, hielt er sich am liebsten in Aachen auf. Die herrlichen Pfalzen, die er
hier, in Nimwegen und Ingelheim erbauen ließ, stehen nicht mehr. Wohl
aber ist die Pfalzkapelle in Aachen, die Grabstätte des Kaisers, als Kern
des Münsters erhalten. Als Vorbild diente eine italienische Kirche aus der
Zeit Justiuians, die im byzantinischen Stil erbaute San Vitale in Ravenna.
Der Verkehr am Hofe bewirkte, daß sich die bevorzugte Stadt rasch
ausdehnte. Viel fremdes Volk strömte zusammen. Die Herbergeu füllten
sich oft mit weltlichen und geistlichen Großen und ihren Gefolgsleuten,
mit Neugierigen, Geschäftsleuten und Abenteurern, die Schätze der Awaren
oder andere Kriegsbeute loswerden wollten. Kaufleute, die Kleidungsstücke
und Erzeugnisse des Knnsthandwerks aus Italien, Konstantinopel und
Bagdad feilboten, wie jüdische Wechsler schlugen ihre Buden auf.
5. Hofleben und Bildung. Auch der Hof selbst bot ein buntes, Wechsel-
volles Bild. Hier begrüßte der vornehme Sachse in langem Linnengewande
den langobardischen Grafen in kurzem Purpurmautel; turbangeschmückte
Araber aus Bagdad, die Geschenke von Harun al Raschid brachten, trafen
mit Stammesgenossen aus Spanien zusammen, und neben dem geflochtenen
Haar des Awaren sah man die Tonsur des gelehrten Mönches.
So oft es anging, weilte Karl im Kreise seiner Familie. Er war
viermal vermählt. Auch auf Reisen mußten ihn die Seinigen nach Mög-
lichkeit begleiten. Die Erziehung der Söhne und Töchter leitete er nach
fränkischer Art3). Gern veranstaltete er mit ihnen und den Hofleuten
größere Jagdausflüge 4) in die Ardennen, wo sie gegen Hirsche, Wölfe,
Wildschweine, Bären und Ure den Kampf aufnahmen und abends, wenn
zum Sammeln geblasen wurde, die Zelte aufschlugen und das Wildbret
bereiteten. Karl selbst war vor allen mäßig in Speise und Trank. Bei
Tische ließ er vorlesen. Er trug fast nur fränkische Kleidung, die seine
Töchter gesponnen und gewebt hatten.
Mit der kaiserlichen Familie bildeten die Gelehrten am Hofe nach
dem Muster arabischer Fürstenhöfe einen wissenschaftlichen Verein, Acatlemia
palatina. Dazu gehörten der Langobarde Paulus Diaconus, Verfasser
eines Predigtbuches und einer Geschichte der Langobarden, der Franke
Einhard, dessen „Leben Karls des Großen" von seiner Bildung und
seiner Gewandtheit im Gebrauch der lateinischen Sprache zeugt, und der
Franke Angilbert, der in einem lateinischen Heldengedicht die Taten
seines Herrn und Gönners besang. Vorsteher des gelehrten Kreises war der
Angelsachse Alkuin, Karls Ratgeber in geistlichen und weltlichen Dingen
und Leiter der Hof schule, Schola palatina, in der künftige Bischöfe und
weltliche Beamte ihre Ausbildung erhielten. Auch der Kaiser ließ sich von
Alkuin in den Wissenschaften unterrichten. Noch als Mann erlernte er,