Full text: Vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

1. Abschnitt. Die Zeit der Französischen Revolution und Napoleons I- 
die sich dabei bereicherten und es an Willkür nicht fehlen ließen wie die 
Steuerpächter im alten Römischen Reiche. Sogar die Grundherren ver- 
pachteten ihre Steuern, desgleichen die Geistlichkeit die Zehnten. 
Die Adligen, die den größten Teil des Bodens besaßen, kauften sich 
Offiziersbriefe oder einträgliche Ämter und verpraßten ihre reichen Einkünfte. 
Die höhere Geistlichkeit war vielfach verweltlicht, die niedere arm an 
Einkommen und Bildung. Die Bauern mußten mehr als die Hälfte ihres 
Einkommens an Steuern bezahlen und führten, obgleich sie größtenteils 
freie Eigentümer waren, ein elendes Leben. Wer Verbesserungen einführte 
und sein Land gut ausnutzte, wurde höher eingeschätzt; wer nicht bezahlen 
konnte, kam ins Gefängnis; so geschah es, daß man lieber das Land unbebaut 
liegen' ließ, da man doch keinen Nutzen von ihm hatte. Auch in den 
Städten traf der Steuerdruck hauptsächlich die Ärmeren. Die Schutzzölle 
begünstigten die Großindustrie, während die Tätigkeit der Handwerker durch 
die Satzungen der Zünfte eingeengt war; denn der Wettbewerb der freien 
Handwerker wurde von denen, die sich für schweres Geld ihr Zunftrecht 
erkauft hatten, nicht zugelassen. 
Die Bürger und Bauern erfüllte Ingrimm gegen den Staat und die 
bevorzugte Klasse. Reiche Nahrung erhielt diese Stimmung aus den Schriften 
der Aufklärung und der Physiokraten, die die politischen und Wirtschaft- 
liehen Zustände beleuchteten; das Erscheinen Franklins und der amerikanische 
Krieg stärkten die republikanische Gesinnung. 
4. Reformversuche. Ludwigs XVI. erster Finanzminister Turgot, ein 
Physiokrat, suchte die Lage der Bauern u. a. durch die Befreiung des Getreide¬ 
verkehrs von Provinzialzöllen zu bessern, mußte aber bald auf Betreiben 
der Hofpartei, von der sich der König beeinflussen ließ, sein Amt nieder- 
legem Nicht besser ging es seinem Nachfolger Necker, einem Bankmann 
aus Genf, der zunächst durch neue Anleihen zu helfen suchte. Die allgemeine 
Unzufriedenheit, der Widerstand des Pariser Parlaments gegen neue Steuer- 
erlasse und die Erkenntnis, daß die oberen Stände stärker zur Steuer- 
zahlung herangezogen werden müßten, bewogen den Minister Calame, die 
Notabeln, königliche Vertrauensmänner aus dem Adel, der Geistlichkeit, 
den Parlamenten und den Städten, zu berufen, um ihre Zustimmung zu 
einer allgemeinen Grundsteuer zu erlangen. Allein da die bevorrechtigten 
Klassen nicht auf ihre Abgabenfreiheit verzichten wollten, griff der Komg 
auf den Rat Neckers, der 1788 wieder das Finanzministerium übernahm, 
zum letzten Mittel: er versprach die von der öffentlichen Meinung geforderte 
Berufung der Reichsstände, der 6tats g6n6raux, die feit 1614 nicht mehr 
zusammengetreten waren. Schlechte Ernten und ein strenger Winter 
steigerten die Erregung des Volkes, die sich im Frühjahr 1789 an vielen 
Orten in Gewalttaten gegen Adlige und Geistliche äußerte.
	        
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