Deutschland im dreizehnten Jahrhundert.
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aber in die K o l o n i a l g e b i e t e östlich der Elbe. Vom 12. bis 14.
Jahrhundert wurden Brandenburg, Mecklenburg und Pommern, Meißen
und Schlesien, Preußen, endlich Teile von Böhmen, Ungarn und Sieben- Ostens,
bürgen kolonisiert. An dieser Großtat des deutschen Volkes hatten alle
Stände Anteil, die Fürsten, die Ritter, die Klostergeistlichkeit, der Bürger¬
stand. Daß diese Lande aber nicht nur erobert, sondern germanisiert, daß
diese Kolonien nicht Ausbeutungs-, sondern Ackerbaukolonien wurden, ist
das Verdienst der deutschen Bauern; sie saßen dort zumeist als freie
Leute, die dem Grundherrn zu einem Zins, der Kirche zum Zehnten ver¬
pflichtet waren?)
Städtewesen und Bürgertum.
§ 88. Die Städtegründungen. Die fränkische Zeit hatte in Deutsch¬
land an Städten nur die alten Römerstädte gekannt; und auch diese waren
verfallen, ihre Bevölkerung trieb zum größten Teile Ackerbau, und sie
bildeten keine gesonderten Verwaltungsbezirke, sondern unterstanden wie
das sie umgebende Land dem Grafen. Die Entstehung von Stadtgemein¬
den knüpft an die Verleihung des M a r k t r e ch t s an bestimmte Orte an, Marktrecht,
wie sie seit der Zeit der Ottonen immer häufiger wird. Wo der König
oder ein anderer Grundherr einen Markt gründete, stand der kausmännische
Verkehr unter dem Schutze des Königsfriedens (Marktsriedens); das
Zeichen des verliehenen Marktrechts bildete das steinerne Marktkreuz. Zum
Schutze des Marktverkehrs bedurfte der Ort einer B e f e st i g u n g.^ Da-
her wird die Stadt auch Burg genannt, und die Mitglieder der Stadt¬
gemeinde heißen Bürger. Das dritte Kennzeichen der Stadt war eigene,
m ö g l i ch st s e l b st ä n d i g e V e r w a l t u n g und eine besondere SEver-
Gerichtsbarkeit. Zumal seit dem 12. und 13. Jahrhundert wur¬
den überaus zahlreiche Städte gegründet; sie erhielten ihre Einrichtungen
nach dem Vorbilde älterer, bedeutender Gemeinden, daher man z. B. von
Städten Lübischen, Soester, Magdeburger Rechts sprach. Die Rolands¬
bilder, häufig im deutschen Norden, sind wohl als Symbole städtischer Ge¬
richtsbarkeit zu deuten.
1) Die Dorfgründnug wurde gewöhnlich einem Unternehmer (locator) über¬
tragen , ber bie Hufen verteilte unb dafür einige Freihufen unb bas erbliche Schulzen¬
amt erhielt. — Die Siedelungsform ist in den Kolonialgebieten nicht das unregel¬
mäßige Haufendorf, das links der Elbe vorherrscht, sondern das planmäßig angelegte
Straßendorf. Dazu tritt in den Gegenden zwischen Elbe, Saale und Oder die
Form des Rundlings, die aus slavischen Ursprung zurückgeführt wird.