Geistiges Leben.
59
Bald kam die Nachahmung der antiken Kunst völlig zum Durchbruch.
Am stärksten zeigte sie sich, von Napoleon begünstigt, zur Zeit des ^Kaiser-
reiches in Frankreich. In der Baukunst ahmte man die antiken Formen
möglichst genau nach. So ist die Kirche St. Madeleine in Paris im
Äußern ein reiner korinthischer Tempel. Von den beiden Triumphbogen,
die Napoleon zur Verherrlichung seiner Siege errichten ließ, Are du Carrousel
und Arc de l'Etoile, ist jener eine Nachbildung des Triumphbogens des
Septimius Severus in Rom. In Deutschland ahmte man griechische
Vorbilder weniger genau, aber mit besserem Verständnis für die Bedürs-
nisse der Gegenwart nach. Schon das um 1790 von Langhaus erbaute
Brandenburger Tor in Berlin, das an die Propyläen in Athen erinnert,
zeigt die Selbständigkeit des Künstlers. Nach den Befreiungskriegen wurde
Schinkel der Hanptvertreter dieser Richtung. Seine bedeutendsten Werke
sind das Alte Museum und das Schauspielhaus in Berlin.
Auch in der Zimmerausstattung suchte man während der Napoleo-
ittschen Zeit Anlehnung an das klassische Altertum, auf die kurze Herrschaft
des Zopfes folgte der Empirestil. Die Sitzmöbel erhielten wieder gebogene
Beine und größere Festigkeit. Der Empirestil fand weite Verbreitung und
erhielt sich lange, auch als später das Rokoko zurückgekehrt war.
In der Malerei gilt Chodowiecki, der in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts lebte und zuletzt Leiter der Berliner Akademie der
Künste war, als Vorläufer der klassischen Zeit. Er zeichnete sich aus als
Radierer und Kupferstecher; in vielen Zeichnungen schilderte er Szenen aus
dem täglichen Leben und versah die bedeutendsten literarischen Erscheinungen
mit Bilderschmuck. Angelika Kauffmauu aus Chur lebte meist in Italien,
gefeiert von Künstlern und Gelehrten. Unter ihren Werken sind am besten die
Bildnisse, z. B. Winckelmann und Herder, gelungen. Carstens aus Schleswig,
der eigentliche Gründer der klassischen Richtung, lebte in seiner späteren Zeit,
gegen Ende des 18. Jahrhunderts, in Rom. Er hat wenig Gemälde, aber
viele Zeichnungen hinterlassen, die im Geiste des Altertums gedacht und aus-
geführt sind. Von ihm gingen in Deutschland die späteren „Klassizisten"
aus. in Frankreich galt i. L. David als der größte Maler seiner Zeit,
berühmt durch den theatralisch aufgefaßten „Schwur der Horatier".
David brachte die „griechische Mode" auf, die die größte Einfachheit an die
Stelle der früheren Unnatur setzte und um 1800 überall zur Herrschaft gelangte.
Von hier nahmen die weiteren Wandlungen der weiblichen Kleidung ihren Ausgang.
Die deutsche Malerei bildete sich fort zur chriftlich-romantischen
Richtung, die mit Cornelius. Overbeck und Schnorr von Carols-
feld in Rom anhebt. Cornelius, einer der größten Meister der philo-
sophierenden Malerei, geboren in Düsseldorf, besuchte die Akademie seiner
Vaterstadt und ging 1811 nach Rom, dem Hauptsitz der deutscheu Maleret.
Er drang auf Wiedereinführung der Freskomalerei, damit auch die Kunst
an dem frischen Aufschwung des Vaterlandes teilnehme, und um eilte Probe