VI. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms II. (seit 1888).
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In dem Augenblicke, in dem der hochselige Kaiser Friedrich zur enngeit
Ruhe einging, wurde nach dem deutschen und preußischen Staatsrechte
Deutscher Kaiser und König von Preußen sein ältester Sohn Wilhelm,
geboren am 27. Jauuar 1859.
1. Vorbildung.
Die wissenschaftliche Vorbildung des Kaisers. Gleich feinem Vater hat
Wilhelm II. eine hohe wissenschaftliche Vorbildung genossen. Nach dem
Lehrplane des Gymnasiums unterrichtet, trat er im Herbst 1874 in
die Obersekunda des Gymnasiums zu Kassel ein. Dort saß er mit deil
Söhnen des Volkes auf den nämlichen Schulbänken und zeichnete sich
durch Fleiß, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe aus. Besondere
Vorliebe zeigte er für die Geschichte. Mit seilten Mitschülern verkehrte
er sehr freundlich. Im Sommer wohnte er auf dem Schlosse Wilhelms-
höhe in der Nähe von Kassel. Morgens um 7 Uhr ritt er von Wilhelms-
höhe zum Gymnasium. Im Jahre 1877 bestand er die Reifeprüfung.
Bei dieser Gelegenheit erhielt er eine Denkmünze zur Anerkennung
seines Fleißes. Alljährlich werden am Gymnasium zu Kassel drei Denk-
münzen an die drei fleißigsten Schüler verteilt. Vom Herbst 1877 bis
zum Herbst 1879 studierte Prinz Wilhelm an der Hochschule zu Bonn
am Rhein. Damit hatte die wissenschaftliche Vorbildung ihren äußeren
Abschuß erreicht.
Militärische Vorbildung. Nach der Sitte des preußischen Königs-
Hauses wurde Prinz Wilhelm mit dem 10. Lebensjahre zum Offizier
und nachdem er das Gymnasium zu Kassel verlassen hatte, zum Ober-
leutuaut im ersten Garderegiment zu Potsdam ernannt. Vom Februar
bis zum Herbst tat er seinen Dienst wie jeder andre Offizier des
Regiments.
In der Zeit der Bonner Studienjahre ruhten die militärischen Ver¬
pflichtungen. In den Herbstferien nahm er an den großen Manövern teil.
Nach Beendigung der Universitätsstudien übernahm Prinz Wilhelm
als Hauptmann die Führung einer Kompagnie. Für den strengen Dienst
entschädigte der Prinz seine Soldaten durch besonderes Wohlwollen. Am
Weihnachtsfeste beschenkte er jeden Soldaten seiner Kompagnie; wenn einer
von ihnen erkrankte, besuchte er ihn im Lazarette; bei allen passenden
Gelegenheiten erkundigte er sich nach den Familienverhältnissen seiner