Object: [Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband])

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ein Liedchen pfiff. Im Schein der Laterne, der an das Fenster fiel, sah 
Gockel Hinkel an und Hinkel Gockel, und beide lachten und weinten 
und fielen sich um den Hals und riefen aus: „Ach Gockel! Ach Hinkel! 
wie jung und schön bist du geworden!“ 
Da sprach Gockel: „Alektryo hat die Wahrheit gesprochen, der Ring 
Salomonis hat Probe gehalten, alle meine Wünsche, bei welchen ich ihn 
drehte, sind in Erfüllung gegangen,“ und da erzählte er der Frau alles von 
dem Ring und zeigte ihn ihr, und ihre Freude war unaussprechlich. 
Nun liefen sie an ein anderes Fenster und sahen in einen wunder¬ 
schönen Garten; ein wunderlieblicher Blumenduft strömte ihnen ent¬ 
gegen, die herrlichsten Springbrunnen plätscherten im Mondschein, und 
die Nachtigallen sangen ganz unvergleichlich dazu. Nun liefen sie an 
ein drittes Fenster. „0 je, welche Freude!“ rief Frau Hinkel aus, „wir 
sind in Gelnhausen, da oben liegt das Schloß des Königs und da drüben, 
o zum Entzücken! da sehe ich in einer Reihe alle die Bäcker- und 
Fleischerladen; es ist noch ganz stille in der Stadt, horch! der Nacht¬ 
wächter ruft in einer entfernten Straße, drei Uhr ist es. Ach! was wird 
er sich wundern, wenn er hierher auf den Markt kommt und auf ein¬ 
mal unsern gräflichen Palast sieht! Und der König, was wird der König 
die Augen aufreißen, und alle die Hofherrn und Hofdamen, die uns so 
spöttisch nachsahen, da wir ins Elend gingen, wie werden sie gedemütigt 
sein durch unsern Glanz! 0 Gockel! lieber Gockel! was bist du für 
ein allerliebster, bester Mann mit deinem Ringe Salomonis!“ und da 
fielen sie sich gleich wieder um den Hals. 
Der Tag brach aber an und sie sahen verwundert den Glanz ihres 
prächtigen Schlafgemachs und ihrer schönen, atlassenen, himmelblauen 
Schlafröcke und ihrer Goldnachtmützen. Nun erinnerten sie sich in ihrer 
Freude erst an Gackeleia, ihr liebstes Töchterlein, und eilten nach einem 
wunderschönen Bettchen, rissen die rotsamtnen, goldgestickten Vorhänge 
hinweg. Da lag Gackeleia schön wie ein Engel, ach viel schöner, als 
sie je gewesen. Gockel und Hinkel erweckten sie mit Küssen und 
Thränen. „Wach! wach auf! Gackeleia! Ach, alle Freude ist um uns 
her! Ach Gackeleia! sieh alle die schönen Sachen an!“ Da schlug 
Gackeleia die blauen Augen auf und glaubte, sie träumte das alles nur, 
und da sie Vater und Mutter, welche beide so jung und schön geworden 
waren, gar nicht wieder erkannte, fing sie an zu weinen und verlangte 
nach ihren lieben Eltern. Ja alle die schönen Sachen konnten sie nicht 
zufrieden stellen; sie sagte immer: „0, was soll ich mit all der Herrlich-
	        
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