Full text: Von der Zeit des Großen Kurfürsten bis auf die Gegenwart (H. 3)

Quellensätze. 95 
damit den Anspruch, daß wir noch größere Anstrengungen machen müssen als 
andere Mächte zu gleichem Zweck, wegen unserer geographischen Lage .... Gott 
hat uns in eine Situation gesetzt, in welcher wir durch unsere Nachbarn daran der- 
hindert werden, irgendwie in Trägheit und Versumpfung zu geraten. Er hat uns 
die kriegerischste und unruhigste Nation, die Franzosen, an die Seite gesetzt, und er 
hat in Rußland kriegerische Neigungen groß werden lassen, die in früheren Jahrhun- 
derten nicht in dem Maße vorhanden waren . . . Die Hechte im europäischen 
Karpfenteich hindern uns, Karpfen zu werden, indem sie uns ihre Stacheln in 
unseren beiden Flanken fühlen lassen; sie zwingen uns zu einer Anstrengung, die 
wir freiwillig vielleicht nicht leisten würden, sie zwingen uns auch zu einem Zu- 
sammenhalten unter uns Deutscheu, das unserer innersten Natur widerstrebt; sonst 
streben wir lieber auseinander . . . Wir müssen dieser Bestimmung der Vorsehung 
aber auch entsprechen, indem wir uns so stark machen, daß die Hechte uns nicht 
mehr tun als uns ermuntern. Wir hatten ja früher in den Zeiten der Heiligen 
Allianz . . . eine Menge Geländer, an denen wir uns halten konnten, und eine 
Menge Deiche, die uns vor den wilden europäischen Fluten schützten. Da war der 
Deutsche Bund, und die eigentliche Stütze und Fortsetzung und Vollendung des 
Deutschen Bundes, zu deren Dienste er gemacht, war die Heilige Allianz. Wir 
hatten Anlehnung an Rußland und Österreich, und vor allen Dingen, wir hatten 
die Garantie der eigenen Schüchternheit, daß wir niemals eine Meinung äußerten, 
bevor die anderen gesprochen hatten. Das alles ist uns abhanden gekommen; wir 
müssen uns selber helfen .... 
In der Ziffer (Anzahl der Soldaten) sind sie (unsere Nachbarn) ebenso hoch 
wie wir, aber in der Qualität können sie es uns nicht nachmachen. Die Tapferkeit 
ist ja bei allen zivilisierten Nationen gleich; . .. aber unsere Leute . . . sind kriegs- 
gedient, . . . ausgediente Soldaten, und die noch nichts verlernt haben. Und was 
uns kein Volk in der Welt nachmachen kann: wir haben das Material an Offizieren 
und Unteroffizieren, um diese ungeheure Armee zu kommandieren .... Dazu 
gehört das ganz eigentümliche Maß der Verbreitung der Volksbildung in Deutsch- 
land, wie es in keinem anderen Lande wieder vorkommt .... 
Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden, vielleicht zu 
leicht, aber durch Drohungen ganz gewiß nicht. Wir Deutsche fürchten Gott, 
aber sonst nichts in der Welt; und die Gottesfurcht ist es schon, welche uns 
den Frieden lieben und Pflegen läßt. Wer ihn aber trotzdem bricht, der wird sich 
überzeugen, daß die kampfesfreudige Vaterlandsliebe, welche Anno 1813 die gesamte 
Bevölkerung des damals schwachen, kleinen und ausgesogenen Preußen unter die 
Fahne rief, heutzutage ein Gemeingut der ganzen deutschen Nation ist, und daß 
derjenige, welcher die deutsche Nation irgendwie angreift, sie einheitlich gewassnet 
finden wird, und jeden Wehrmann mit dem festen Glauben im Herzen: Gott wird 
mit uns sein!" 
62) Aus der Kaiserlichen Botschaft an den Reichstag vom 17. November 1881: 
„Die Heilung der sozialen Schäden wird nicht ausschließlich im Wege der Unter- 
drückung sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der 
positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein. Wir halten es für 
Unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von neuem ans Herz zu
	        
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