Römische Religion. 143
Könige um Einwilligung befragt werden. Dieses Recht ging also für
den Anfang gewiß von den Curiatcomitien, deren Befugnisse sonst un-
geschmälert blieben, aus die nach Centimen zusammentretenden und
abstimmenden Centuriatcomitien (comitia centuriata) über. Da aber
von der Gesamtzahl der Centimen allein 80 auf die erste, reichste
Klasse fielen, so werden bei Abstimmungen doch immer die Reichen
— und diese waren vorzugsweise Patricier — den Ausschlag gegeben
haben, zumal da die 18 Rittercenturien, welche zuerst stimmten,
noch hinzugerechnet werden müssen. Immerhin konnte nach der neuen
Verfassung jeder, Patricier oder Plebejer, durch Fleiß und Sparsamkeit
in die oberste Klasse emporsteigen, wurde doch jedes fünfte Jahr auf
dem Marsfeld (campus Martins zwischen den Hügeln und dem Tiber)
ein Census abgehalten, in welchem alle Bürger nicht bloß gezählt,
sondern auch nach ihrem Vermögen abgeschätzt wurden.
5. Die römische Religion.
§ 103. Allgemeiner Charakter. ^Griechische und römische
Religion.] Es ist bezeichnend, daß das Wort Religion der lateinischen
Sprache entstammt; denn es giebt kaum ein anderes Volk, welches, ab-
gesehen vom Volke Israel, in so hohem Maße durch seinen Glauben
beeinflußt wurde, wie die Römer; die Handlungen sowohl des einzelnen,
als auch des Staates wurden ununterbrochen von religiösen Vorstellungen
begleitet und beherrscht. In den ältesten Zeiten freilich, wo Griechen
und Jtaliker noch einen Stamm bildeten, waren mich ihre Götter und
ihr Kultus dieselben, so der oberste Himmelsgott Zens = Diovis, die
Haus- und Herdgöttin Hestia = Vesta, der Begriff des heiligen Raumes
(re|j.evo;, templum), manche Opfer und Ceremonieen, die sich z. T. noch
lange erhielten. Später gingen aber die beiden verwandten Völker in
ihrer religiösen Entwicklung weit auseinander: Die ursprüngliche Natur-
religion vertiefte und veredelte sich bei den Griechen immer mehr zu
reineren Anschauungen von den Gottheiten, welche nicht bloß mit einem
reichen Schatz von Mythen und Sagen umgeben, sondern auch zum
vornehmsten Gegenstand der Poesie und der bildenden Künste gemacht
wurden; bei den Römern dagegen blieben die Götter nichts Anderes
als die Vergeistigung irdischer Erscheinungen, indem jedes Geschöpf, jeder
Ort, jeder Gegenstand, jede Handlung mit einem göttlichen Wesen zu-
sammeuhängend gedacht wurde, aber nur solange, als eben diese Dinge