84 Die Zeit des halben Friedens und die sicilische Expedition 421—413.
nehmen würden; und da die Athener auch anderwärts Erfolge aufzu-
weisen hatten — der Stratege Nikias nahm z. B. die Insel Kyth^ra,
— so bemächtigte sich der Spartaner eine große Mutlosigkeit.
Das Kriegsglück der Athener wendete sich aber gar bald; ihr An-
griff auf Böotien mißlang vollständig und endete 424 mit der schweren
Niederlage bei Delion, wo n. a. Sokrates und Alkibiades mitfochten.
In demselben Jahre zog Brasidas an der Spitze von 1700 Hopliten
— darunter 700 Heloten — auf dem Landwege durch Thessalien und
Makedonien nach Thrakien, um die reichen Bundesgenossen der Athener
daselbst zn befreien; sein größter Erfolg war der Fall von Amphipolis,
dessen Rettung dem Geschichtschreiber Thukydides, dem damaligen
Flottenführer, nicht gelungen war1). Die Athener schickten nun wieder
den Kleon aus den Kriegsschauplatz, erlitten aber durch dessen Unvor-
sichtigkeit 422 eine völlige Niederlage bei Amphipolis; Kleon selbst
wurde getötet, aber auch Brasidas starb an seiner Wunde kurz darauf.
Jetzt endlich kam durch die Bemühungen des Nikias der längst ersehnte
Friede zustande, der nach diesem athenischen Feldherrn den Namen er-
hielt. Sparta und Athen einigten sich 421 zu einem fünfzigjährigen
Frieden, indem sie die Wiederherstellung des Znstandes vor dem Kriege
ausbedangen.
§ 61. Die Zeit des halben Friedens und die sicilische Ex-
pedition. 421—413. ^Alkibiades. Schlacht bei Mautiueia 418.]
Einer vollkommenen Ausführung des Friedens traten die mittleren und
kleineren Staaten Griechenlands hindernd in den Weg; namentlich Korinth
und Theben fühlten sich durch einzelne Bestimmungen so sehr benach-
teiligt, daß sie, um zn ihren vermeintlichen Rechten zu gelangen, allerlei
Verwickelungen verursachten, in die schließlich auch die Hauptstaaten
wieder hineingezogen wurden. So rief ein Bündnis, welches 420 zwischen
Sparta und Theben zustande kam und gegen Athen gerichtet war,
ein Gegenbündnis zwischen dieser Stadt und Argos hervor, dem auch
Mantineia (in Arkadien) und Elis beitraten. Es war das Werk des
jugendlichen Alkibiades, der sich jetzt zuerst als heftiger Gegner der
Spartaner hervorthat; er war der Sohn des Kleinias, mütterlicherseits
ein Urenkel des Kleisthenes und mit Perikles, in dessen Hause er erzogen
wurde, verwandt; mit allen Vorzügen des Geistes und Körpers ausge-
stattet, besaß er doch einen maßlosen Ehrgeiz und einen unberechenbaren
Eigenwillen, der selbst durch seinen großen Lehrer Sokrates nur wenig
i) Er rettete nur die Hafenstadt Eion [eion] und wurde deshalb verbannt;
vergl. Thuk. IV, 107; V, 26.