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Abänderungsvorschläge mußten schriftlich eingereicht werden, konnten
jedoch von dem Vorsitzenden zurückgewiesen werden, wenn sie gegen
ein Gesetz verstießen. Nach Schluß der Debatte ließ er abstimmen, bei
öffentlicher Abstimmung durch Aufhebung der Hände, bei geheimer durch
Stimmsteine. Über den ganzen Vorgang setzte der Ratschreiber eine
Urkunde auf für das Staatsarchiv, der er den Namen des Präsidenten
und den seinigen beifügte.
Die Befugnisse der Volksversammlung:
1. Der Anteil an der Gesetzgebung war bis 404 sehr groß, weil
das Volk bis dahin allein darüber zu entscheiden hatte, ob eine von
Sachverständigen vorberatene und vom Nate begutachtete Neuerung
Gesetz werden sollte oder nicht. Seit der Wiederherstellung der Demo-
kratie, 403, setzte das Volk seinen Anteil an der Gesetzgebung jedoch
bedeutend herab. Alljährlich konnte nämlich in einer der ersten Volks-
Versammlungen jeder Bürger Gesetzesänderungen beantragen, und das
Volk stimmte zunächst nur darüber ab, ob ein Antrag einer näheren
Würdigung wert sei. War er das, dann mußte der Antragsteller ihn
nebst dem entgegenstehenden alten Gesetze öffentlich zur allgemeinen
Kenntnisnahme ausstellen. Nach einigen Wochen wählte dann das
Volk einen aus Heliasten gebildeten Gerichtshof und eine Kommission
zur Verteidigung des alten Gesetzes. Dann erst erfolgte die Entschei-
dung über die Annahme des neuen Gesetzes in der Form eines regel-
rechten Prozesses zwischen dem Antragsteller und der Verteidigungs-
Kommission vor dem gewählten Gerichtshof.
2. Auch bei der Wahl der Beamten waren die Befugnisse der
Volksversamlung stark eingeengt; denn von den etwa 20 staatlichen
Beamtenkollegien wurde nur ein Viertel gewählt, wie die Vertreter der
militärischen und finanziellen Oberämter, während die anderen Be-
amten erlost wurden.
3. Die richterlichen Befugnisse der Volksversammlung wurden
seit 403 gleichfalls auf außerordentliche Fälle beschränkt und auch dann
wurde die endgültige Entscheidung zumeist von dem zuständigen Ge-
richtshof getroffen; vergl. unter § 86 über die Probole und Eisangelie.
(Der Ostrakismos wurde seit 403 nicht mehr ausgeübt.)
4. Aber auch nach der Wiederherstellung der Demokratie 403
stand dem Volke doch noch die oberste Entscheidung zu über Krieg
und Frieden, über Aussendung und (Empfang von Gesandten, Ertei¬
lung des Bürgerrechtes, religiöse Angelegenheiten, außergewöhnliche
(Ehrungen u. a.
§ 84- Das athenische Gerichtswesen.
Der Prozeß in einer Privatklage heißt fj der öffentliche
Prozeß \ YQa(jrf- Der Kläger heißt d Stcoxwv, der Beklagte ö (fevyMv.
- Als Kläger konnte nur ein vollberechtigter Bürger auftreten, Fremde
und Metoiken mußten sich durch einen nqoazärri? vertreten lassen. -
Wer als Kläger in einem Kriminalprozesse nicht den fünften Teil der
Stimmen erhielt, mußte 1000 Drachmen Strafe zahlen und konnte im