Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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Kämpfe sind die folgenden Bücher ausgefüllt: das zehnte berichtet den 
Tod des grausamen Mezentius, das elfte den Untergang der kühnen 
Camilla, das zwölfte Niederlage und Ende des wilden Turnus. 
§ 5. Gvidius Naso. 
Die Äneis Vergils ist ein Kunstepos. Eine andere Form der 
epischen Dichtung, die poetische Erzählung, wird durch die Meta- 
morphosen Ovids vertreten. 
P. Ovidius Naso, geb. 43 v. Chr. zu Sulmo im Päligner- 
lande, war der Sohn eines reichbegüterten Ritters. Mit seinem ge- 
rade um ein Jahr älteren Bruder Lucius kam er früh nach Rom und 
genoß hier eine sorgfältige Erziehung. Nach dem Willen des ehrgeizigen 
Vaters widmeten sich die Sohne besonders dem Studium der Bered- 
samkeit, um so befähigt zu werden, in die an äußeren Ehren reiche 
staatsmännische Laufbahn einzutreten. Aber nur ungern betrieb Publms 
die rednerischen Übungen. Viel lieber las er heimlich die Werke der 
Dichter, und bald verriet er selbst eine außergewöhnliche dichterische 
Begabung. So leicht flössen ihm die Verse, daß er später bekannte: 
Sponte sua Carmen numeros veniebat ad aptos, 
Et quod temptabam dicere, versus erat. (Trist. IV 10,25 f.) 
Lucius, ernster als sein Bruder, bereitete sich mit großem Eifer auf 
den Staatsdienst vor, starb aber schon im 20. Lebensjahre. Um seinen 
Vater nicht zu betrüben, übernahm Publius nach einer Studienreise, 
die ihn nach Athen, Kleinasien und Sizilien geführt hatte, einige unter¬ 
geordnete Ämter. Allein der lästigen Geschäfte bald überdrussig, ver- 
zichtete er auf die Bewerbung um höhere Stellen. Bis in sein einund¬ 
fünfzigstes Jahr lebte er dann in Rom behaglich nur der Dichtkunst 
und dem geselligen Verkehr. 3m Jahre 8 n. Chr. wurde er aus 
nicht recht aufgehellten Gründen durch ein strenges Edikt des Kaisers 
nach Tomis verbannt, einer halbbarbarischen Grenzfestung in trostloser 
Gegend an den Donaumündungen in der Nähe des heutigen Köstendje. 
Diese harte Maßregel vernichtete das Glück des Dichters, da er ohne 
die Genüsse der Hauptstadt nicht glaubte leben zu können. Er er- 
schöpfte sich in Bitten und Schmeicheleien gegen Augustus, um die Er¬ 
laubnis zur Rückkehr zu erhalten; aber sie waren ebenso fruchtlos wie 
die Verwendung einflußreicher Freunde. Auch Tiberius, der Nachfolger 
des Augustus, blieb unerbittlich, und so starb Dvid zu Tonus, 
roo auch seine Asche beigeseht wurde, im Jahre 17 n. Chr. Heute 
erinnert zu Köstendje an den Dichter ein im Jahre 1886 auf dem 
Markte errichtetes Denkmal. 
In seinem Lebenswandel war der Dichter ganz ein Kind seiner 
genußsüchtigen entarteten Zeit. Auch seinen Werken fehlt durchweg 
ein höheres Ziel; geradezu leichtfertig ist der Inhalt der Liebeselegien, 
feiner ersten poetischen Erzeugnisse. Größeren Ernst zeigen die Dich¬ 
tungen seines gereimteren Alters, von denen die Metamorphosen 
(„Verwandlungen") am bekanntesten sind.
	        
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